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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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wurde.»
    Klaus verkniff sich die Bemerkung, daß ein Kriegseinsatz Thomas Manns sowie des Nietzsche-Biographen – am besten in einer Leitstelle – die Schlächterei zumindest um Sekundenbruchteile verkürzt hätte, und nicht zu deutschen Gunsten.
    «Wollen Sie mir ein Jahrhundert resümieren?»
    «Das hätte Sinn. Doch bewahre. Nur was Sie und mich betrifft.»
    «Ich nehm’ noch einen», kommentierte der Angesprochene und schenkte aus dem Sitzen heraus ein. Herr Bertram putzte sich seine Brillengläser. Ohne die Optik waren es eher kleine Augen unbestimmter Färbung. «Ich kann dozieren. Ich bekleidete lange einen Lehrstuhl in Köln.»
    «Ein Professor.»
    «Kein Emigrant. Und dafür büße ich jetzt. Aus tiefster Not komm’ ich zu Ihnen. Sie sind von viel weiter her zum Wiedersehen des Geliebten eingetroffen. Einiges wußte ich, manches konnte ich durch einen Aufzugpagen in Erfahrung bringen.»
    Klaus trank. Besaß das Badezimmer einen Nebenausgang? Zu einer Terrasse mit Liegestühlen?
    «Noch vor dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wurde ich Pate seiner Tochter Elisabeth. In seinem Gesang vom Kindchen trete ich gar persönlich auf: Der anhängliche Freund, im wohlgeschnittenen Gehrock, bürgerlich vornehm, ein wenig altfränkisch, der deutsche Gelehrte … Wenn einer altfränkisch war, dann er, stets mit Hut auf dem Fahrrad. Während der Revolution radelte er gern, auf den ewigen Fahrten zum Zahnarzt nahm er den Umweg durch die Innenstadt, um die Wachtmatrosen vor der Residenz bewundern zu können. Von deren Erscheinung lieh er sich wahrscheinlich Mut für den Behandlungsstuhl. Aber schon bei einem Abendspaziergang, als Fledermäuse, die von seinem hellen Seidenanzug irritiert waren, ihn plötzlich umflatterten, wurde er panisch. Aber selbst aus solcher Bedrängung durch zierliche Vampyre mag er sein Bekenntnis abgeleitet haben: Der Tod lehrt Frömmigkeit und den Sinn für das Erhalten. Inmitten von Bürgerkrieg, Elend, der schmerzlichen Geburt der Republik rückten wir, betäubt durch alles Chaos, noch enger zusammen; welche vertrauensvollen Zeilen, die er an mich richtete.» Bertram kannte sich in seinem Konvolut der Handschreiben von Thomas Mann aus: «Recht schönen Dank für Ihre Karte aus Brückenau, die mir von der Stimmung des Ortes einen so ansprechenden Begriff gab. Das Idyll im Idyll, ich meine das unter der Blutbuche, mußte mir natürlich besonders zusagen. Ich bin recht unruhig Ihretwegen. Was giebt es? Warum höre ich nichts von Ihnen? … Dann natürlich seine Neigung, alles und jeden für sein Werk auszuschlachten. Da kannte der Kaufmannssproß keine Zurückhaltung. Nun, was gesagt werden muß, muß gesagt werden … Sind Sie schon da? Ich möchte Ihnen etwas vorlesen? … Wann kommen wohl Ihre Notizen zum Zauberberg? …» Bertram blätterte, «wir verbrachten sogar Urlaub an der See, immer dieses graue Fluten, das er vor sich sehen wollte: Die Wirtin der Villa Oda in Timmendorf hat uns immer sehr entgegenkommend geschrieben und wird sich gewiß Mühe für Sie geben. Und dann auch so etwas: … bin krank, eine ruhrartig-infektiöse Dickdarmgeschichte, scheußlich. Und», der Dozent hob den Zeigefinger, «auch solcherlei vertraute mir dieser Freigeist an, der partout als Bürger gelten wollte, sozusagen als freier Bürger, was, wenn man’s bedenkt, auch keine Schande ist: Meine Bücher entstanden frei, aus Not und Spaß, und der Erfolg war ein unerwartet-behaglich Hinzukommendes.»
    «Das verweist doch auf ein reges Miteinander», befand Klaus, «wo liegt das Problem?»
    «Sie sehen mich in Lumpen und vernichtet.»
    «Nicht jeder kann den Nobelpreis erlangen.»
    «Allmählich und ein wenig», und zum ersten Mal grinste der Professor, «wurde es mir mit seinem Erfolg, den ich intern befeuerte, und mit seinen Ruhmeswolken – er vermittelte seinen Lesern offenbar immer etwas Kokett-Stabiles, mit deutschem Ernste fast spielend – zu viel. – Sie verraten mich doch nicht? Denn er weiß es nicht.»
    «Die Sorge ist überflüssig.»
    «Ich gehörte vor fast fünfzig Jahren als Berater zum Komitee in Stockholm.»
    «Das ist ja sensationell.»
    «Aber ich schlug für den höchsten Preis nicht Thomas Mann vor. Vielmehr George.»
    «Das würde ich dem alten Freund nicht beichten.»
    «Er hatte genug Speck im Schrank.»
    «Und da soll ich vermitteln?»
    «Ach was! Es geht um Größeres!»
    «Als den Nobelpreis?»
    Klaus Heuser empfand die Mitteilungen als mitteilenswert. Hatte er sich zuerst

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