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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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hätte.» Professor Bertram sprach mit Degout zum Fenster hin, mutmaßlich ein Zitat: «Der Gott der Schlachten ist nicht mehr. Die Republik – als ob das nicht noch immer Deutschland wäre! Der Staat, ob wir es wollten oder nicht – er ist uns zugefallen. Die sogenannte Freiheit ist kein Spaß und Vergnügen, nicht das ist es, was ich behaupte. Ihr anderer Name lautet Verantwortlichkeit.» – Bertram schnaufte: «Republik ist das», verkündete er, «was Demokratie genannt wird und was ich Humanität nenne. – Man staunt: Die Republik Lübeck plötzlich als Modell der Welt! … Ja, in München, zumindest in der Poschinger gab man sich weltläufig, war ja auch viel und üppig im Ausland unterwegs. Was bekam ich da immer distanzierter zu hören? Ich kenne die Briefe auswendig. Mein Nationalismus, Bertram, ist wohl ein anderer als der Ihre … Ein paar Mal, angesichts Ihrer Nordverherrlichung, mußte ich an ein Kind denken, ein kleines Mädchen, halb spanisch, halb deutsch, das mit uns von Santander nach Hamburg reiste: ein märchenhaftes Geschöpf, grazil, perlblaß, schwarz, ganz überaus lieblich. Eine deutsche Puten-Madam erklärte: ‹Die schlechtere Rasse schlägt immer durch.› Ich kann nicht sagen, wie elend das Weibsbild mir vorkam … Ich bin eben mehr ein Künstler, Melancholiker, Genießer der Gegensätze und Spieler damit, als Richter und Künder, der das eine vergöttlicht und das andere zum Pfuhl verdammt. – Apart und edelmütig, nicht wahr?»
    «Ja», bestätigte Klaus auf wohl nicht gewünschte Weise.
    «Es schmerzte mich durchaus», gestand Bertram zu, «als er nach der Erhebung der nationalen Kräfte Deutschland verließ, verlassen mußte, wie er meinte. Der berühmteste Schriftsteller Deutschlands war gewiß ein bedenkliches Opfer der Reinigung, des Zusammenschlusses hinter dem …», der Mann suchte offenbar nach einem Begriff, «neuen Reichskanzler.»
    «Hitler?»
    «Himmler wollte Thomas Mann, wie man erfuhr, nur für ein paar Tage zur völkischen Besinnung in ein Konzentrationslager sperren. Danach wäre alles gut gewesen.»
    Klaus sah, daß die Badezimmertür sich einen Spalt geöffnet hatte. Von Anwars Gesicht nahm er eine fragende Hälfte wahr.
    «Man war sich unklar, wie man mit einer Galionsfigur der Nation und einem Devisenverschaffer verfahren sollte. Bei der Bücherverbrennung in Köln, allemal vielleicht ein überhitzter Vorgang, um den Volksgeist zu säubern, konnte ich seine Werke vor den Flammen retten. Dabei schrieb er gerade an seinem Josephsroman, der ganz im Jüdischen angesiedelt ist, wenn man die ägyptische Urbanität und den Zauber von Theben beiseite läßt. Doch was hatte er mich schon zuvor wissen lassen: Der Joseph ist kein Judenbuch, wenn es das ist, was Sie grämt, sondern ein Menschheitsbuch. – Das letzte Schreiben aus dem Exil, hier ist’s», er wedelte mit der Preziose vor Klaus’ Gesicht, «öffnete ich mit zitternder Hand. Ich erfuhr noch schroffer, wenn auch mit einem Hauch jahrzehntelanger Verbundenheit: ‹Daß Sie, lieber Bertram, fähig sind, das Deutschtum zu verwechseln mit seiner niedrigsten Travestie und dem widrigsten Popanz, wird mir immer Kummer sein. Doch die deutschen Intellektuellen – verzeihen Sie das rein sachlich gemeinte Wort – werden die allerletzten sein, die zu sehen anfangen, denn zu tief, zu schändlich haben sie sich eingelassen und bloßgestellt. Was mich persönlich angeht, so trifft mich der Vorwurf nicht, daß ich das Land verlassen hätte. Ich bin daraus verstoßen worden, beschimpft und angeprangert von den fremden Eroberern meines Landes, denn ich bin ein älterer und besserer Deutscher als diese.› – So schäumte er. Und ließ uns allein und mich zurück.»
    Klaus hatte es beinahe geahnt, und Anwar spähte mit weiten Augen. Ernst Bertram, Professor der Germanistik und Schriftsteller, ließ sich abermals auf die Knie sinken und drückte sein Mützchen an die Brust. «Gewiß hat er mir nie verziehen, daß ich die Kölner Bücherverbrennung mit meinem Weihespruch einleitete: Verwerft, was euch verwirrt, verfemt, was euch verführt! Was reinen Willens nicht wuchs. In die Flammen mit, was euch bedroht. Auch ihm war klar, daß das … Verschwinden der Juden … manchen schönen Posten zugänglich machte. Wer wußte denn schon ganz genau … und all die Trümmer, das überbordende Leiden. Mancher Verrat am Völkischen, wie viele Denunzianten auch unter uns … Nun meine Pension gestrichen, ich entehrt … Wie ist das

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