Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
Vom Netzwerk:
ein Stück zurück.
    «Seien Sie froh, daß Sie einem anderen in die Hände fielen. Doch, nein, so darf es nicht gesagt werden: Wer in Georges Kreis aufgenommen wurde, geriet in eine Seligkeit, erhob sich über die schmähliche Welt und wurde ein Jünger des Schönen und Geheimen. Nur ich, wie Sie sich denken können …»
    Klaus regte sich nicht.
    «… ich störte, war niedrig eifersüchtig, daß dieser magische Mensch, der allerorten jeden in seinen Bann zog – reich, wer ihn erleben durfte –, meinen Gefährten umschmolz, ja, und zu einem begeisterten Hörigen seiner Person und ihrer Verheißung machte. Wer je die flamme umschritt, bleibe der flamme trabant! Wo noch ihr schein ihn erreicht, irrt er zu weit nie vom ziel. Nur wenn sein blick sie verlor, eigener schimmer ihn trügt, fehlt ihm der mitte gesetz, treibt er zerstiebend ins all . – Das ist imperial, Glut und Eis, groß. Worauf Stefan George damit genau verwies, blieb übrigens immer unklar, eben wie bei einem Mysterium. Gut, er selbst ist jene Flamme. Aber was meint die mitte und was ist deren gesetz ? Seltsam, die nebulöse Botschaft schweißte die Geister zusammen. Dort ist das Heil – welcher Geschundene will nicht blanco daran glauben? Und ein Glaubender besitzt vielleicht eine Daseinsdimension mehr. George haßte mich, denn fast dreißig Jahre lang bewahrte Ernst Glöckner mir einen Teil seiner Treue. Sie ahnen: eine lange Tortur für drei Beteiligte. Aber im Norden gibt es nichts Leichtes, der Nord will Grameslust. Seine Eifersucht auf mich, der ich ordentlich auf meiner Universitätslaufbahn voranschritt und um Ernst Glöckner kämpfte, verbarg George souverän. Indem er mein geistiges Schaffen beachtete, ja, förderte, verpflichtete er sich den aparten Ernst. Mein epochales Werk, die Schrift, die mich zum Professor kürte, die weit über die Gelehrtenwelt hinaus in den Vulkanismus modernen Geistes führte, meine Erkundung der Eruption namens Friedrich Nietzsche, dieses mein Buch, das, so darf ich behaupten, zu einem Vademecum deutscher Schicksalshingabe wurde, veröffentlichte Stefan George sogar in seinem Hausverlag Blätter für die Kunst. Vielleicht ein wenig beeinflußt durch diesen Magier, der mich bis in mein Herzensleben verfolgte – und der Wunsch, dem Alltag zu entrinnen, noch einmal vor dem Ende der Zeit Göttliches zu verspüren, erfüllte gemeinhin die Luft –, enthüllte ich in meinem Werk Friedrich Nietzsches tiefstes Geheimnis: Werfen wir lächerliche Sittlichkeit über Bord, die allein zur Zähmung der kleingeistigen Masse dienen mag. Die Führernaturen wissen um ein Höheres, um Eleusis, Walhall, wo Schicksalsruf und Tod kein Schrecknis sind, sondern Teil der Offenbarung, daß der Mensch auch Übermensch ist, Bacchant, Grübelnder am ewigen Abgrund, blonder Richter, der furchtlose Held im All. – Was die große Seele einschränken will, ist wider die Natur und Blähungsdampf der Verängstigten, Kirchenschabernack, Sozialgerangel um ein paar Pfennige, Parlamentsgeschwindel, Familienbande. Der wahre Mensch ist eine Detonation. Er steht zu sich ohne Schnupftuch in der Tasche, und sein Mitleid ist ein tieferes als das rührselige; der wahre Mensch akzeptiert kühn Werden und Zerfall, opfert sich, wie alles Opfer ist und Geburt. – Mein Buch wird, sobald die Besatzer es erlauben, in einer abermaligen Ausgabe berauschen.»
    «Wer – sind – Sie?»
    «Ernst Bertram.»
    Es war nicht möglich, Klaus Heusers Zustand zu beschreiben, denn er selbst wußte kaum, wie ihm geschah. Wahrer Mensch – Stefan George überfällt Gelehrtenfreund – Bertram? … und blonde Richter – Anwar in der Wanne und im Raum eigentlich auch noch Erika Manns Credo von Anstand, Ehre, Toleranz, Freiheit, Solidarität, was heftig mit einem detonierenden Übermenschen kollidierte –, das konnte ein mittelmäßiger Ex-Gymnasiast nicht alles auf Anhieb erfassen, schon gar nicht durchdringen, wiewohl man mit beiden Positionen natürlich immer, zumindest unterschwellig, zu tun hatte. Mit der täglichen toleranten Solidarität, die gewiß ein Kennzeichen jeder Demokratie war, und mit diesem Begehren, sich auch rücksichtslos zu verwirklichen, jeder als sein eigener Häuptling. Oder Gott, über den keiner bestimmte. Er mußte nichts verstehen, das war das Beste an diesem Nachmittag. Angenehmer wäre es gewesen, schon jetzt aus einem Teehaus in Hongkong über die stillen Fluten des Perlflusses und die paar britischen Kolonialvillen auf den Felsplateaus zu

Weitere Kostenlose Bücher