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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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böse.»
    «Sie Schwein!» brüllte Klaus Heuser.
    «Ja», jammmerte es.
    «Man müßte Sie treten. Aber selbst dann entweicht der Gestank ja nicht.»
    «Treten Sie mich.» Der Alte kam wieder in Pygmäenhöhe auf Klaus zu, der aufgesprungen war und natürlich nicht, wie jemand der im Lande geblieben war, den ganzen Umfang der Geständnisse im Detail erfassen konnte. Aber hier umschlang ein Kriegsverbrecher, ein Anstifter zum Völkermord, zumindest ein aktiver Mitläufer, im fadenscheinigen Zwirn voller Schmutz seine Beine und rüttelte an ihm. Draußen das verheerte Land, auf den Holzdielen ein Täter.
    «Versöhnen Sie mich mit ihm!»
    «Raus!» herrschte Klaus den Bettelmann an, der eine Hand erhob, man wußte nicht wozu. Anwar kam aus dem Badezimmer hervorgeschossen, wand das Handtuch um die Hüfte und griff das Knochengerüst am Genick. Ernst Bertram heulte. Er starrte Heuser an, dann gewahrte er die nougatfarbene Gestalt, die ihre Finger in seinen Hals bohrte. «Marokkaner, wieder mal … der König Afrikas. Und ich?» Das einzig königliche Signum, das Anwar auszeichnete, war ein Rest Schaumkrone, der schräg auf dem Kopf zerrann.
    «Sie sind ein Ekel und bleiben es.»
    «Ohne sein Verzeihen mag ich nicht sterben. Castorp ist auch meiner, Naphta stattete ich mit Wissen aus. Wenigstens ein Gruß von ihm, ein Nicken.» Klaus bedeutete Anwar, den harten Griff zu lockern, sonst wäre die Halsschlagader gleich abgeklemmt.
    «Er hatte mir vom Pazifik, vor seiner Wiederkehr, doch schon ein Zeichen gesandt … Sie kennen mich als einen, der nie etwas aus dem Leben verliert, ließ er wissen, wie denn vor allem nicht alte Freundschaft.» Mit der Brille in der Hand wischte sich Ernst Bertram über die Augen. «So gut ist er, na ja … Einmal ihn wiedersehen und wieder Mensch sein. Herr Heuser, Sie helfen mir. Sie waren doch sein Augenstern.» Der Professor war am Ende seiner Kraft, er sich ließ auf Anwars Füße sinken und heulte wie ein Schloßhund. «Ich war schuld … doch vergib die Schuld, auch wenn sie nicht entschuldbar ist … Rassenhaß, wie schmutzig.» Anwar zog den Fuß zurück, das Wrack hatte über einen Zeh gestreichelt. «Es fehlte so viel Liebe.»
    Er stützte sich auf den Boden. «Vor allem Erika Mann ist gefährlich.»
    «Dazu hat sie ihren Grund.»
    «Wenn ich ihn hier nicht wiedersehen kann, ich habe meinen Kaffeetisch in Köln gedeckt. Vermitteln Sie ihm meine Einladung, und auch Frau Katia soll gerne kommen. Ich lebe gewiß nicht mehr lang.»
    Nach dem Afrikanerkönig begriff Ernst Bertram augenscheinlich erst jetzt zur Gänze, daß er zu Füßen des Tropenmenschen lag … «Ihr Boy?»
    «Ich sagte schon mal, es ist Zeit zu gehen.»
    «Was für ein schöner Mensch. Ernst war es auf andere Weise. Oh, ehedem.»
    «Hoch. Auf.»
    «Ich trete Ihnen die Hälfte dieser Briefe ab, wenn Sie das Treffen arrangieren. Ein Vermögen.»
    Bertram bemühte sich und kam mit Unterstützung von vier Armen wieder auf die Beine. Er tappte zum Sessel und schob Post und Brotdose in die Mappe. Er griff nach der Baskenmütze und dem Mantel. Der Brillenbügel hing trotz des Pflasters nunmehr durch.
    «Sie helfen mir.»
    «Ich kann nicht.»
    Ernst Bertram schlurfte zur Tür. Ohne sich umzublicken, schloß er sie.
    «Zieh dich an oder auch nicht. Ich springe jedenfalls in Kürze vom Balkon.»

Zum Goldenen Ring
    Das Völlegefühl durch die Linsensuppe mit großen Wurststücken und Kartoffelbrocken war gewichen. Nun meldete sich tatsächlich Appetit, zum Beispiel auf das verheißene Hühnchenragout. Aber er mußte und konnte sich noch gedulden. Klaus hatte sich nicht über die Brüstung gestürzt, sondern sich gleichfalls ein Bad eingelassen und sich, als übliche Alternative zur Verzweiflungstat, für ein Weilchen hingelegt. Jetzt duschte er vielleicht noch einmal kalt. Sie hatten überlegt, ob sie für das Abendessen in der Stadt einen Seitenausgang suchen sollten, um weiteren Überfällen zu entgehen. Doch durch die Gänge zu tappen und Türen auszuprobieren, hätte womöglich den wirklichen Hausdedektiv auf den Plan gerufen. Außerdem waren alle hinter Klaus her, und Anwar konnte sich als freier unbescholtener Mann allerorten aufhalten. Wie sie gemeinsam die Straße erreichen würden, mußte sich weisen.
    Der Sessel war bequem. Mijnheer Anwar Batak Sumayputra, Mitte dreißig und mit akkurat geknöpften Gamaschen über einem leichten Lackschuh, kreuzte die Füße. Er täuschte sich damit eine größere Entspanntheit vor,

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