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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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eine galt als stocksteif, führte in seinem Werk aber viel Teufelsspuk und viel Schmachten auf, der andere verhexte nicht nur Ernst, doch hinterließ er eisige Verse. Es war zum Zerreißen spannend. Kein Zweifel, die Poschingerstraße empfand Eifersucht auf den Führer Schwabinger Kohorten; wer hingegen in Stefan Georges Anwesenheit Thomas Mann auch nur erwähnte, der konnte seine Siebensachen packen. Als gemeingefährliche, ekelhafte gans kanzelte der Lyriker den Romancier einmal ab. Das bezog sich vielleicht auf dessen Neigung zum exklusiv Maroden, dem keine Vision innewohne. Zudem rivalisieren Vers und Prosa stets um den höchsten Rang. Wenig überraschend, daß Thomas Mann nach einer zufälligen Begegnung erschrocken festhielt: Habe IHN gesehen .»
    «Welcher Leser ahnte das?»
    «Und ich zwischen allen Stühlen»
    «Vielleicht war es Ruhmeskonkurrenz.»
    «Der Krieg brachte die Erlösung.»
    Klaus Heuser hätte den Begriff beinahe fragend wiederholt. Als Fünfjähriger hatte er vom Ausbruch des ersten Gemetzels, aus dem manche auch folgende Katastrophen ableiteten, diffus jubelnde Menschenmassen in Erinnerung, fähnchenschwenkende Frauen, die Soldatenkolonnen mit Karabiner und Pickelhaube gen Front verabschiedeten. Gewiß hatte auch er Für Kaiser und Reich gequäkt. Spätere Bilder waren deutlicher. Warteschlangen vor Geschäften, nur noch Rübensirup auf Brotlappen, verweinte Gesichter auf der Straße, Gruppen von Krüppeln um Litfaßsäulen, ein umfassendes Grau, das noch die Zimmerpflanzen einzufärben schien.
    «Wie Sie wissen …»
    «Nein.» Heuser hob ein wenig abwehrend die Hände.
    «Doch. Und um mir helfen zu können, müssen Sie es wissen. Wollen Sie denn nicht helfen?»
    «Wobei?»
    «Einen Menschen aus dem Schmutz zu ziehen.»
    «Nehmen Sie’s nicht persönlich. Aber offen gestanden fehlt mir noch die Sympathie für Sie.» Heuser schluckte. So unhöflich war er selten gewesen.
    «Ich habe Härteres durchgestanden. Es geht um Ihr Gewissen.»
    «Wieso?»
    «Meines kenne ich.»
    «Was reden Sie?»
    «Nur das Nötigste. Für ein paar Worte wird doch wohl Zeit sein.»
    «Sie haben sich hier eingeschlichen.»
    «Wenn keiner vorsichtiges Pochen hört.»
    Wie lange benötigte Anwar, um verjüngt und blank Feile und Handtuch aus der Hand zu legen? Doch hätte er jetzt genützt? Klaus zündete sich eine Zigarette an und leerte einen Jägermeister, den Erika Mann hatte stehenlassen. Der Gast lehnte den Likör ab.
    «Die Zusammenarbeit mit Thomas Mann intensivierte sich im Krieg.»
    «Gut. Wer kann das von sich behaupten?» Der Schnaps lockerte.
    «Heute mögen Sie die Nase darüber rümpfen. Der Kampf des deutschen Volks um Blüte oder Erniedrigung verlieh dem Leben einen strengen Sinn. Gegen eine Welt von Feinden mußten wir uns auf unser Innerstes besinnen. Auf Treue, Opfermut, Tüchtigkeit und eine tiefe Kultur.»
    Immer wieder, empfand Klaus, war von Herrn Bertram doch etwas Interessantes zu hören, und er rauchte verhalten. Bei dem Mann ging es auch unabweislich um übergeordnetere Gedanken und Erlebnisse als bei ihm selbst, der besonnen in den Rattan-Export einsteigen wollte.
    «Ich verfaßte meine Nietzsche-Biographie. Mein Freund im Geiste konzentrierte sich seinerseits auf seine Bekenntnisse eines Unpolitischen , aus denen hervorging, daß der Parlamentarismus unserer Feinde dem deutschen Wesen, nun, wesensfremd sei. Daß Demokratie ein fortwährendes Gezänk zwischen egoistischen Gruppen heraufbeschwöre, wobei es vornehmlich um bloße Besitzverteilung gehe. Oh, er formulierte es sehr fein, in seiner Art, kein billiges Geschrei gegen Parteien und Wohlfahrtsstaat. Er wollte den selbstbestimmten Bürger und sich selbst retten. Als lebenslanger Todessympathisant sprach er sogar von einer exzentrischen Humanität des Krieges, der eine seelische Erhöhung und Vertiefung, eine Verfeinerung der Wahrnehmung nach sich ziehe. Immer der Ästhet. Zutiefst geprägt von der Erkenntnis, daß keine Vernunft die Welt leitet und jede Götterburg in Trümmer fällt. Dagegen halfen nur der Wille und die Disziplin, im Dennoch etwas Bedeutsames zu leisten. In etwa so stemmte er sich gegen die Volksherrschaften Frankreich, Amerika, die Deutschland überrennen wollten. Soldatisch leben, ohne selbst Soldat zu sein, war sein Motto damals. Er war wegen seines nervösen Magenleidens, wie Sie vielleicht wissen, vom Militärdienst befreit; und er half mir durch mancherlei Beziehung, daß ich nicht unsinnig zum Kanonenfutter

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