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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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eigentlich tief vermißte, und fand es bemerkenswert und gut, daß Düsseldorfer sich nach Mitternacht vielleicht beengende Kleidung vom Leib und alles Beengende aus der Seele reißen würden. Hätte er nicht vermutet.
    Der Schutzmann in blanken Stiefeln und mit gegürtetem Schlagstock war ein anderer als der am Zebrastreifen. Ein Vorgänger von ihm, der vielleicht noch hinter sibirischem Stacheldraht ausharrte, hatte bereits vor Klaus’ Auswanderung am damaligen Swing-Palast patroulliert.
    «Für hier und jetzt ist alles wahrscheinlich ganz üblich und normal», versuchte er, auch für Anwar, ein paar Eindrücke zu ordnen. Der Indonesier mit javanischen Wurzeln sann ohne erkennbares Ergebnis in der Miene nach. «Woanders vieles auch», bemerkte er dann. So kam man nicht weiter. Aber man mußte nichts durchdringen, man reiste. Die Zeiger über dem altvertrauten römischen Zifferblatt des Juweliers Eppstein, dessen Namensschild fehlte, zeigten acht Uhr an. Mangels Kirchtürmen und eingeschmolzener Glocken gingen die Stunden ziemlich klanglos ineinander über. Makabre Stille droben.
    Der Blick über den Burgplatz, zur Rheinpromenade hinüber und zu den Uferlichtern Oberkassels, schenkte sofort das Gefühl von Weite und Offenheit. Kein Dresdenpanorama zur Verzückung, eher eines der Geschäftigkeit, mit Frachtverkehr, neuer Brücke. «Oh, … Fladen!», rief Anwar und winkte den Gefährten heran. «Manjok? Kann man rollen mit Lamm und Minz. Heel lekker, kostelijk.» Schon angesichts einer schlichten heimatlichen Speise auf einem bunten Plakat mit divers belegten Fladen und einer Korbflasche daneben schien ihm das Wasser im Mund zusammenzulaufen. Klaus musterte stirnrunzelnd das fernöstliche Ladenlokal, in dem dunkelhaarige Menschen Laub über einer Art von Sperrholzlauben drapierten, eine Frau mit Kittel und Kopftuch wienerte Gläser. Im zweiten Fenster hinter der Tür lüftete sich das Rätsel: « NAPOLI. EIS UND PIZZERIA . Öffnung 1. September. Erstmals am Rhein.» – Das war eine Revolution. Quattro Stagione am Burgplatz, kaum zu fassen; in Rom geboren und mit den Eltern ein, zwei Male dort gewesen, hatte er den Teig mit krosser Kante und duftigem Belag heiß geliebt. Nun wagten die Südländer den Vorstoß. «Ist italienisch und noch zu», er zog Anwar von der Verheißung fort, «und auch nicht Manjok. – Falls sich exotische Genüsse noch ausbreiten», sinnierte er, «wird mein Vater irgendwann Wasserpfeife bei einem Türken rauchen. Oder in Meerbusch Pekingente ordern.»
    «Kann ich braten.» Leicht enttäuscht, also mit Appetit, blickte Anwar Batak zur Laubentaverne zurück. Schiefergraues Gewölk über dem linksrheinischen Ufer wurde von der untergehenden Sonne scharf konturiert. Weißgelb und rotgolden leuchteten die Ränder. Beide wichen einem Lastwagen aus, dessen Rückspiegel Passanten auf dem Gehsteig treffen konnte. Hier überquerten Fußgänger in viele Richtungen den Platz auch ohne Zebrastreifen. Auf der Flußpromenade ergingen sich Gestalten ohne Eile. Die Umrisse von Kinderwagen waren zu erkennen. Die Dämmerung wandelte sich merklich ins Dunkeln. Laternenschein begann sich auf dem Kopfsteinpflaster zu spiegeln. Die schiefe Spitze von Sankt Lambertus überragte den ausgeglühten Schloßturm. Man roch Wasser. Mit den Händen in den Manteltaschen verharrte Klaus Heuser und sog Heimatstadt ein, die Silhouette der Uferplatanen, die ferne Brücke, das Vehikel eines Scherenschleifers. Halb hinter ihm strengte Anwar seine Augen an. Zweifellos. Dort war er abermals. Die Zipfelkappe. Nun hinter einer Säule mit Plakaten. Bereits unweit des Telephonhäuschens hatte er ihn gewittert. Bertram. Er war ihnen auf den Fersen. Die Angelegenheit mit dem Professor war abgehandelt. Klaus hatte ihn aus dem Zimmer gewiesen. Mußte er den Freund weiter beunruhigen?
    «Wenn man die Augen schließt, ist alles wie ehedem», murmelte der, «das Aroma der Flußluft wird man niemals los. – Aber ich mußte fort. Heute begreife ich nicht mehr, woher ich den Mut nahm. Freunde, das Gewohnte blieben wie unerreichbar zurück. Dabei hatte ich als Kind sogar Angst, abends allein durch den dunklen Flur zu tapsen. Die Courage ließ an Bord der Heidelberg nach. Als wir in Rotterdam Zwischenstation machten, habe ich mir Schlafpulver gekauft. Gegen die Unruhe und das Geflenne in der Nacht. Dann hatte es keinen Sinn mehr gehabt, Angst zu haben. Das Schiff hielt Kurs, immer weiter fort. Die anderen an Bord wurden auch mit jeder Meile

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