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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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von sich. «Komisch, im Gasthaus sagt man immer: zwo. Wahrscheinlich weil’s schon satter klingt.» Über den stürmischen Tag brauchte man sich nicht weiter auszutauschen. Immerhin war es Prominenz gewesen, die sie bedrängt hatte, die Tochter und ein völkischer Dichter.
    «Nach Köln könnten wir weiter nach Rüdesheim, Weinhochburg, ich war nie da, weil man dort nicht hinfährt. Wegen des Andrangs. Aber sehen möchte ich die Drosselgasse schon einmal.» Klaus klopfte mit dem Messerende aufs Tischtuch. Anwar haßte solche unkontrollierten Gesten. Ein gelegentliches Wackeln mit dem linken Bein, das auch in diese Richtung ging, hatte er dem Gefährten schon vorzeiten mit gewissem Erfolg abgewöhnt. Falls man selbst Nervosität kannte, reagierte man empfindlich auf die Nervositäten anderer. Das konnte zu unguten Zuspitzungen im Miteinander führen: «Laß das …», «Dann gewöhn dir selbst das Schlurfen in den Hauslatschen ab …»
    Immerhin hatte Klaus das Schniefen vergessen, und das Ohr hörte offenbar auch. Es galt viermal am Tag Gereiztheiten zu dämpfen.
    «Drosselgasse?»
    «Ein mittelalterliches Weinlokal neben dem anderen.»
    «Alles säuft hier.»
    «Dafür gibt’s kein Opium. Und im Rausch wurde Europa groß.»
    «Viel Schiffe auf Riffe gefahren.»
    «Aber sie waren immerhin unterwegs.»
    Kurz berührte Anwar Klaus’ Hand, der einverständlich die Augen schloß. «Glückliche Paare gelten als langweilig», erwog er.
    «Ich mich nicht gelangweilt.»
    Wie war das zu verstehen?
    Gäste, die das WC aufsuchten, beäugten verhältnismäßig dezent den dunklen Herren mit hellblauer Seidenkrawatte. Anwar lächelte zurück. Mitunter beinahe wie mit einem mechanischen Grinsen. Sein schöner Goldring gefiel ihm immer mehr, und der kleine Shiva darauf konnte auch einem passiven Muslim, der heilige Bäume geküßt und holländische Tischgebete mitgeflüstert hatte, nicht schaden. – Die Toilettennähe erklärte wohl die freien Plätze, war mäßig charmant, besaß andererseits einen ehrlich kreatürlichen Aspekt.
    «Mensch, Junge, Karl, alter Schwede, du bist es wirklich.» Die Hand ruhte auf Klaus’ Schulter. Das rötliche Gesicht unter schütterem semmelblondem Haar beugte sich vor. Der Ehering schien ins Fleisch gewachsen zu sein. Klaus begann freudig zu strahlen, während Anwar von der schwedischen Nationalität höchst irritiert war. War er über viele Jahre aus unbekannten Gründen schlimm hinters Licht geführt worden? Aufgeräumter, ja, munterer als lange Stunden zuvor wandte sich Klaus dem Fremden zu: «Ich freue mich wirklich, jemanden kennenzulernen, den ich leider nicht kenne und der mich nicht kennt. Tja, ich bin nicht Karl.» Entspannt lehnte sich Klaus im Stuhl zurück und lächelte den Herrn an. Der beließ seine Hand auf dem Kammgarn.
    «Karl. Nein, Klaus.»
    Dessen Miene gefror.
    «Zuerst Scharnhorstschule, dann bist du in die Solinger Messerindustrie. Mann, du hier. Von Solingen bist du abends in die Handelsschule gependelt, du weißt, Bachstraße, gleich neben dieser Tierhandlung mit der Riesenschildkröte im Fenster. Du wirst doch den Gert wiedererkennen, an mir ist noch alles dran. Und leider viel mehr geworden. Mit der Irmtrud sind wir ein paarmal ins Kino. Ja, jetzt hütet sie das traute Heim. Unser Jüngster ist auch schon zwanzig und arbeitet auf der Werft in Papenburg. Will nautischer Ingenieur werden oder etwas Ähnliches. – Der Klaus! Mann, laß dich umarmen. Warst ein flotter Vogel. Die Irmtrud hat noch ziemlich lange von dir geschwärmt: Klaus’ Schuhe sind immer geputzt. Der Klaus quetscht sich beim Tanzen nicht so an einen und tritt einem nie auf den Fuß …»
    «Gert», klärte es sich für Klaus, «Klüser?» Er schraubte sich vom Stuhl hoch, stand ziemlich verdreht halbwegs. Gert Klüser schien ihn umarmen zu wollen, beließ es dann jedoch bei einem kräftigen Doppelschlag auf die Arme.
    «Und du selbst, auch im Schiffbau?»
    «Nee, nee», fegte er die recht abwegige Frage beiseite, «Thyssen, was sonst? Wir bauen jetzt ganz groß, hoch hinaus, über zwanzig Stockwerke beim Hofgarten. Wie New York.»
    «Prima.»
    «Du hast ja noch den Holländischkurs besucht.»
    «Mußte ich.»
    «Und das werde ich dir nie vergessen, wie du mich zu Irmtruds Kaffeeeinladungen mitgenommen hast, obwohl sie anfangs nur für zwei gedeckt hatte. In der Küche ihrer Mutter, du weißt noch. Der Vater, mein Schwiegervater, war ja in Verdun geblieben.»
    «Das habe ich doch gerne gemacht. Ihr

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