Königsallee
in den Akten.«
»Und was wissen wir über Alfonso?«
»Mal das Landeskriminalamt fragen.«
»Ich wäre gern dabei, wenn Böhr nach Zürich fliegt.«
»Klar.«
Sie schwiegen, bis sie im Erdgeschoss aus dem Lift stiegen. Die Staatsanwaltschaft würde die Observation niemals genehmigen. Nicht auf Basis dieser dünnen Aussage. Viel zu teuer.
Reuter überlegte, ob sie in Böhrs Kontoauszügen etwas übersehen hatten. Eine Schweizer Bankverbindung oder Überweisungen nach Amsterdam. Ihm graute vor der Sucherei. Die Stadtsparkasse hatte der Polizei erst nach einem Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft die Unterlagen überlassen und dann auch noch in Papierform statt als Datei, die viel leichter zu durchforsten wäre. Ein ganzer Umzugskarton voller Ausdrucke und Kopien gammelte in ihrem Dienstzimmer vor sich hin. Auch mit der Auswertung der Telefonüberwachung hinkten sie um Tage hinterher – zu viele Anschlüsse in den diversen Läden des Koksbarons.
»Wir sollten uns noch einmal die Akten vorknöpfen.«
»Eine Staublunge riskieren? Nichts da, mein Lieber. Mein Date geht vor und für Überstunden kriegen wir bloß einen Anschiss. Du solltest dich auch besser um dein Privatleben kümmern, sonst wirst du noch ein mentaler Krüppel.«
»Wie meinst du das?«
Reuters Handy gab Laut. Der Klingelton war das Eingangsthema von Mission Impossible, das er aus dem Internet heruntergeladen hatte.
Katja, dachte er.
Doch es war Hauptkommissar Kai Hennerkamm, der Leiter des KK 22, genannt Broiler, nach dem ostdeutschen Wort für Huhn. Die Stimme des Chefs klang aufgekratzt.
»Das Bild ist aufgetaucht, Jan. Der Zehn-Millionen-Schinken, für den du Böhr drankriegen wolltest.«
»Ist nicht wahr!«
»Können wir uns im Präsidium treffen? Kripochef Engel hat nach dir gefragt.«
»Bin schon unterwegs.«
Reuter steckte das Handy ein und legte den Zimmerschlüssel auf den Tresen der Rezeption.
Koch setzte seine Sonnenbrille auf. Sie war modisch geformt und verlieh ihm etwas ungewohnt Verwegenes.
»War das dienstlich?«, fragte der Kollege.
»Ja, aber nur für mentale Krüppel.«
4.
Benedikt Engel fand in der Türablage seines Golf ein Salbeibonbon und hoffte, dass es das Kratzen in seinem Hals lindern würde. Sein Handy piepste um Hilfe, der Akku musste geladen werden. Der Anruf des Chefs der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hatte Engel im Bett seiner Freundin erwischt. Aber seine Gereiztheit rührte nicht nur daher, dass er am Feiertag gestört worden war.
Die Wende in Sachen Beckmann-Raub: Geschädigte und Staatsanwaltschaft hatten hinter dem Rücken der Kripo den Rückkauf eingefädelt. Solche Verhandlungen waren langwierig, schätzte Engel. Hätte der Leitende Oberstaatsanwalt ihn früher informiert, wäre der Polizei viel Arbeit erspart geblieben.
Zudem widersprach es Engels Prinzipien, man gab Erpressern nicht nach. Und es ließ die Behörde dumm dastehen – zu einem Zeitpunkt, da ein Wechsel an der Spitze des Innenministeriums anstand. Der Neue würde Duftmarken setzen wollen, seinen Stempel aufdrücken. Wenn da ein Kripochef negativ auffiel, war er schnell weg vom Fenster.
Engel parkte seinen Porsche im Innenhof des Präsidiums und nahm den Seiteneingang. Im Flur vor seinem Büro warteten Meinhard Münch, der Leitende Oberstaatsanwalt, sowie einer seiner Dezernatsleiter, ein Oberstaatsanwalt in Golferkleidung namens Westhoff, knapp vierzig Jahre alt, zuständig für organisierte Kriminalität. Engel gab den beiden Juristen die Hand, dann schloss er die Tür auf.
Er knipste das Deckenlicht an, denn die Jalousie vor dem Fenster hing schief und ließ sich nur zur Hälfte hochziehen – seit Wochen führte er deshalb einen Papierkrieg mit der Verwaltung. Sie nahmen Platz.
Münch trug wie immer eine Fliege zum Anzug, heute ein auffälliges Ding in Türkis und Hellblau. Westhoff beklagte sich, dass er ein Spiel mit dem Oberbürgermeister hatte abbrechen müssen. Er fingerte Zigarette und Streichhölzer hervor und fragte, ob er rauchen dürfe.
Engel verneinte. Er konnte den Kerl nicht leiden.
KK-22-Leiter Hennerkamm klopfte, trat ein und sicherte sich den letzten Besuchersessel. In seinem Schlepptau folgte Reuter, der einen Drehstuhl aus dem Geschäftszimmer hereinrollte.
Jan Reuter, ein markanter Lockenkopf wie das Abbild eines jungen Kaisers des Alten Rom – Engel konnte sich vorstellen, dass die Frauen auf den Kerl flogen. Der Kriminaloberkommissar trug ein modisch geschnittenes Glencheck-Sakko, im
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