Königsfreunde (German Edition)
Taube war auch schon bei Petrisa angekommen, wenn kein Habicht sie unterwegs geholt hatte.
»Ich verlange zu wissen, wohin Ihr mich bringt«, sagte der Junge und Marquard schaute kurz über die Schulter.
»An einen Ort, an dem Ihr leben könnt.«
»Was meint Ihr damit?«
»Ich bringe Euch an einen Ort, der Euch keine Möglichkeit lässt, wieder nach Hause zurückzukehren. Ihr habt dann die Wahl, Euch mit Eurem Schicksal anzufreunden und Euer neues Leben anzunehmen oder eben nicht.«
»Ihr habt nach meiner Krönung keine Zeit verloren«, sagte der junge König.
»So ist es«, bestätigte Marquard. Er hörte, wie sein Gefangener wütend an den Riemen riss.
»Hört auf damit oder Ihr geht zu Fuß«, sagte Marquard ruhig.
»Das wagt Ihr nicht! Ihr droht nur immer wieder damit.«
»Lasst es auf einen Versuch ankommen.«
»Ihr seid ein Verräter! Ihr verliert Euren Kopf, wenn das bekannt wird!«
»Ihr droht aus Eurer Hilflosigkeit heraus, mein Prinz.«
»Ich bin jetzt König ! Was untersteht Ihr Euch, mich so zu nennen!«
Marquard seufzte. »Freundet Euch mit Eurer Situation an, mein König . Das ist das Beste für Euch. Glaubt mir.«
Marquard fuhr schweigend weiter in der Hoffnung, der Junge würde Ruhe geben, aber eine halbe Stunde später riss ihm doch der Geduldsfaden. Er hielt das Pferd an, stieg zu dem sich echauffierenden Gefangenen und löste den komplizierten Knoten.
»Was tut Ihr da?«, fragte der Junge alarmiert.
»Ihr geht zu Fuß. Das wird Euren Übermut zügeln«, sagte Marquard.
»Untersteht Euch! Ich werde keinen einzigen Schritt gehen! Und Ihr werdet mich nicht hinter Euch herschleifen wie Vieh!«
»Ich sagte schon, lasst es auf einen Versuch ankommen. Es war Eure Entscheidung.« Marquard zog den sich sträubenden Fünfzehnjährigen von der Ladefläche und band den Riemen am Kutschbock fest. Er löste die Augenbinde und das wütende Feuer in den braunen Augen traf ihn mit voller Wucht. Der König stand kurz vorm Ausrasten. Er war eine solche Behandlung nicht gewöhnt, aber Marquard dachte sich, dass es das Beste war, ihn tüchtig müde zu machen. Das würde ihm einen ruhigen Abend bescheren.
Er bestieg die Kutsche wieder und ließ das Pferd lostraben. Der junge König warf sich in die Riemen, aber er wurde unbarmherzig mitgeschleift, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als unter Schimpfen und Drohen das Tempo zu halten.
Gegen Mittag hielt Marquard wieder an einem Fließgewässer, um das Pferd zu tränken.
Der König wirkte etwas außer Atem. Er lehnte sich gegen die Kutsche und mied Marquards Blick.
»Ihr solltet etwas Wasser trinken«, sagte Marquard und hielt ihm den Wasserschlauch entgegen. Er wartete, aber der König reagierte nicht auf sein Angebot. Er hielt den Kopf in atemloser Wut gesenkt. Das Haar fiel ihm in die Stirn und seine ganze Gestalt war von Staub bedeckt.
»Lasst Euren Stolz beiseite und trinkt«, riet ihm Marquard. Als keine Antwort kam, steckte Marquard den Lederbeutel kommentarlos weg. Der Junge schielte danach und Marquard stellte sich vor, wie durstig er sein musste. Er selbst hatte brennenden Durst und der König lief seit Stunden in der warmen Sonne dem Wagen hinterher. Aber jetzt Wasser von seinem Entführer anzunehmen bedeutete, die Demütigung zu vollenden. Diese Situation war mit Blick auf sein bisheriges Leben und seine Erziehung kaum zu ertragen. Am Hof genoss der Junge den maximalen Respekt von jedem; kaum war es erlaubt, den Blick auf seine Person zu richten, geschweige denn, ihn anzusprechen. Es war das, was er kannte. Und jetzt wurde er wie ein beliebiger Bauer behandelt, den man beim Stehlen erwischt hatte.
Marquard schöpfte Wasser und kühlte die Beine des Pferdes. Er kontrollierte die Hufe auf eingetretene Steine, dann stieg er wieder auf den Wagen. Er drehte sich zu dem jungen König um.
»Habt Ihr es Euch überlegt? Wir fahren jetzt stundenlang weiter und werden nicht mehr anhalten. Trinkt etwas.« Marquard gab ihm einige Atemzüge Zeit, zu antworten. Dann ließ er den Wagen anfahren, ohne sich noch mal umzudrehen.
Die Sonne senkte sich schon leicht über die Bäume, als Marquard das Pferd wieder stoppte. Er hatte keine große Wahl, er musste seinen Rastplatz nahe einer Wasserquelle wählen und er konnte nicht sicher sein, ob er eine weitere fand, wenn er bis in die Nacht hinein fuhr. Außerdem brauchte das Pferd Ruhe. Marquard sprang auf den Weg herab und begann, das Pferd auszuspannen. Ein leises Geräusch hinter ihm ließ
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