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Königsfreunde (German Edition)

Königsfreunde (German Edition)

Titel: Königsfreunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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des frisch gekrönten Königs. Nicht nur das Schlafmittel wirkte auf ihn, sondern auch die Anstrengung eines langen Tages voller Pflichten. Wahrscheinlich hätte er auch ohne Betäubung die ganze Nacht geschlafen, wie ein Welpe nach einem Tobetag im Garten.
    Marquard griff wieder zum Messer. Bei einem Kehlenschnitt würde das Blut das seidenweiße Hemd des Jungen rot färben. Er war nicht sicher, ob er sich das ansehen konnte. Aber ein Stich ins Herz war nicht weniger schwer auszuhalten.
    Er kannte den Prinzen von Kindesbeinen an. Oft hatte er ihn sogar als Säugling und Kleinkind auf dem Arm gehalten. Aber er war auch nur ein Mensch und das Königshaus war verkommen und schlecht. Jeder, der sich zu lange dort aufhielt, musste an Gier und Geltungssucht erkranken. Da war er keine Ausnahme. Trotzdem steckte Marquard das Messer in den Gürtel zurück. Die Lumpen hatten ihn auf eine bessere, unblutige Idee gebracht. Er ergriff einen Stofflappen und knüllte ihn zusammen. Dann drückte er das Knäuel dem Jungen auf Mund und Nase. Er wartete und die Zeit schien stillzustehen. Das Pferd scharrte mit dem Vorderhuf, als ob es merkte, was auf dem Wagen vor sich ging. Marquard hielt das Tuch weiter fest und die Atemwege verschlossen. Wie lange musste er das tun, bis der Atem endgültig aussetzte? Er hatte noch nie jemanden erstickt. Das Pferd begann zu tänzeln und dann zog es plötzlich an. Marquard fluchte und ließ das Tuch los, um den Gaul anzuhalten. Er hatte noch nicht nach den Zügeln gegriffen, als das Pferd wieder stehenblieb. Er warf einen Blick zu dem Knaben und kontrollierte seine Atmung. Seine Brust hob und senkte sich. Es hatte nicht gereicht, der Junge atmete weiter. Marquard fluchte und fuhr sich durchs Haar. Es war so schwierig! Ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Wenn er es tat, konnte er es nicht mehr rückgängig machen. Und das war eben so schwer. Nicht die Entführung, nicht der Plan, den sie geschmiedet hatten. Das war Hochverrat, aber immerhin hatte es etwas ... Theoretisches. Etwas von Menschen Definiertes. Aber tot war tot. Es gab keine Auslegung, es war organisch, wahrhaftig, endgültig.
    Marquard setzte sich wieder auf den Kutschbock. Er würde noch etwas weiter in den Wald fahren und darüber nachdenken, was das Beste war. Das Pferd schnaubte bestätigend, als er die Zügel auf seinen Rücken fallen ließ. Der Wagen setzte sich in Bewegung und Marquards Gedanken auch. Petrisa erwartete sicher, dass er bald die Taube freiließ, die unter einem Tuch in einem Käfig auf dem Wagen untergebracht war. Aber er konnte das jetzt noch nicht tun. Er brauchte erst einen Plan. Marquard schaute zum Mond hinauf und plötzlich fiel ihm etwas ein, das funktionieren konnte.
     
     
    Das Feuer prasselte und knackte. Marquard legte noch ein paar trockene Äste nach und warf einen Blick auf den schlafenden Jungen neben sich. Er hatte ihn auf ein paar Lumpen neben das Feuer gelegt und dann zugedeckt. Seine Hände fühlten sich kalt an. Das war Marquard aufgefallen, als er die Handgelenke des Jungen fesselte. Die Lederzügel des Fahrgeschirrs hatten dafür herhalten müssen. Von jedem Handgelenk führte ein Lederstrang zu einem jungen Baum, sodass der Gefangene sich in der Mitte halbwegs frei bewegen konnte, aber es war ihm unmöglich, einen Baum zu erreichen, um die Fessel zu lösen, oder mit der einen Hand die andere zu befreien. Unter diesen Umständen keine schlechte Idee.
    Aber noch schlief der Junge und wusste nichts von seiner Situation. Marquard wünschte sich fast, er würde zu sich kommen, damit sich diese unangenehme Spannung auflöste, die sich in ihm aufgebaut hatte. Es gab jetzt einen neuen Plan, falls der junge König sich darauf einließ.
    Marquard aß etwas Brot und trank Wasser aus einem Lederschlauch. Hinter sich hörte er das Pferd friedlich grasen. Er hatte es in der Nähe des kleinen Bachlaufs angebunden, den er entdeckt hatte. Die perfekte Stelle zum Rasten.
    Der Junge seufzte und bewegte sich unter der Decke. Marquard stand auf und kniete sich neben ihn. Im Feuerschein sah er die noch geschlossenen Augen mit den dunklen Wimpern. Die hatte er von seiner Mutter. Eindeutig. Wieder seufzte er und dann stöhnte er leise. Bestimmt brauchte er eine Weile, um wirklich zu sich zu kommen, sodass eine Diskussion möglich war. Marquard übte sich in Geduld und als der Junge endlich blinzelte, benetzte er seine Hand mit etwas Wasser und fuhr ihm damit über die Stirn.
    »Wacht auf«, sagte Marquard.

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