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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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unglaubliche Verwegenheit, dem König Nadelgeld anzubieten. Ohne zu zögern antwortete Ludwig,
     und äußerst kühl: »Nicht an Monsieur de Longueville ist es, mir Geld zu geben. Es ist an mir, ihm welches zu geben, wenn es
     mir beliebt.«
    Klarer hätte er nicht gleichzeitig seine Ablehnung und das Prinzip formulieren können, das jede Monarchie bestimmt: Geld wird
     allein vom König geschlagen, und nur ihm gebührt dieses Privileg.
    * * *
    Im Januar 1614 wurde mein Großvater, der Baron Jean de Mespech, hundert Jahre alt, und obwohl er noch immer bemerkenswert
     klar bei Verstand und rüstig zu Fuß war, wollte mein Vater auf alle Fälle ins Sarladais reisen und den hundertsten Geburtstag
     mit ihm feiern.
    Sosehr mein Herz auch bei der Vorstellung litt, meine Gräfin für längere Zeit zu verlassen, wollte ich meinen Vater doch unbedingt
     begleiten, was ihm große Freude auch deshalb bereitete, weil meine Halbbrüder von Chêne-Rogneux in ihren Seehandelsgeschäften
     derzeit über die Meere und Ozeane der Welt segelten und mein Onkel, Samson de Siorac, so unlöslich an seiner Apotheke und
     am Rock seiner Frau hing, daß er nicht einmal für eine Reise nach Paris aus seinem Laden zu locken war und sich schon gar
     nicht überwinden konnte, mitten im Winter über die gewundenen und gefährlichen Wege des Périgord zu reiten.
    Vertrauensvoll übergab der Marquis de Siorac Franz das Regiment über unser Hauswesen im Champ Fleuri, nahm den Chevalier de
     La Surie mit und unsere beiden Soldaten, Pissebœuf und Poussevent. Und ich hatte La Barge bei mir. Weil unsere Truppe uns
     aber trotzdem noch nicht wehrhaft genug erschien, die großen Straßen Frankreichs zu bereisen, heuerte |228| mein Vater zusätzlich vier Schweizer Gardisten an, deren Vertrag mit dem König ausgelaufen war. Auf zehn Mann verstärkt nun,
     um gegen Raubgesindel zu bestehen, das sich an Brücken, Wegen und Bergpfaden postierte, um Reisende auszunehmen und manchmal
     auch zu erschlagen, brachen wir schwer bewaffnet auf. Außer dem Kriegsdegen hatte jeder zwei Pistolen im Gürtel und eine Büchse
     mit Radschloß im Sattelhalfter, dazu weitere Waffen auf dem Lasttier, das unser Gepäck und unsere Nahrung trug.
    Der Weg von Paris nach Sarlat war ziemlich unerquicklich sowohl der Wetterunbilden wie der Straßenräuber wegen, die uns zweimal
     überfielen. Die erste, nicht eben zahlreiche Bande machte sich sehr unklug an zwei unserer Schweizer heran und wurde aufgerieben,
     als das Gros unserer Truppe dazustieß. Die andere, größer und besser befehligt, ließ uns erst in Ruhe und ohne einen Schuß
     näherkommen, forderte dann aber Wegegeld angesichts ihrer Anzahl und unserer.
    »Meine Herren«, sagte mein Vater, »Eure Sprache verstehe ich nicht. Wollt Ihr Gold, kriegt Ihr Diamanten: aus diesen Pistolen
     hier. Wählt also, aber wählt schnell, unsere Geduld ist nicht groß.«
    Die Räuber ließen uns vorbei, der Hauptmann jedoch mit scheelem Blick, so daß mein Vater argwöhnte, er werde uns, die wir
     im Schnee nicht so schnell vorwärtskamen, verfolgen, um uns von hinten anzufallen. So befahl mein Vater nach einer Meile,
     abzusitzen, die Pferde zu verstecken, und wir legten uns in einen Hinterhalt. Nicht lange, und die Wegelagerer kamen geschlichen.
     Bei der ersten Ladung gab es auf ihrer Seite fünf Tote, darunter der Hauptmann, der meinem Vater solches Mißtrauen eingeflößt
     hatte.
    Dieser Kampf sprach sich schneller herum, als wir reiten konnten. Als wir nach Brive kamen, beglückwünschte uns der Zivilleutnant
     schon zu dem Heldenstück, denn jener Räuberhauptmann, den unsere Waffen niedergestreckt hatten, war seit drei Jahren die Plage
     der Gegend. Und bis zu unserer Heimreise schien unser Ruf derart gefestigt, daß wir weder auf den Pässen noch an Furten oder
     Brücken auf üble Gesellschaft trafen.
    Im Gegensatz zu anderen Greisen gehörte der Baron von Mespech nicht zu denen, die weit vor ihrer Stunde den leiblichen Interessen
     entsagen, um sich auf die Freuden der |229| Ewigkeit vorzubereiten. Auch war er nicht der Mann, überdrüssige, auf sein nahes Ende anspielende Reden zu führen wie so viele
     Alte, die unaufhörlich von ihrem Tod sprechen mit dem Hintergedanken, ihn zu beschwören. Gewiß wird mein Großvater unter den
     Attacken des Alters gelitten haben, doch darüber schwieg er. Er sprach nur von seinen Bauten, seinen Pflanzungen, seinem florierenden
     Steinbruch, seiner Mühle, der weit und breit keine

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