Königskind
Französin‹ verteidigte in dieser Sache nicht zuerst das französische Reich, sondern das Haus Guise.
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|234| NEUNTES KAPITEL
Wenn Condé davon träumte, der Regentin das zu sein, was der Herzog von Guise – ich meine natürlich den zu Blois ermordeten
– für Heinrich III. gewesen war, das heißt, der Fürst eines Aufstands, der von einer Mehrheit der Franzosen unterstützt würde,
so verkannte er völlig seine Verdienste wie seine Situation.
Guise verkörperte seinerzeit den gnadenlosen Kampf der Katholiken gegen die Hugenotten, und als hätte der Himmel ihm für seinen
Fanatismus im voraus Dank gewußt, hatte er ihn zum schönsten Mann Frankreichs gemacht. Das Volk und im besonderen das Volk
von Paris erkannte in dieser männlichen Schönheit ein göttliches Zeichen. Wenn der Herzog in weißem Satin, auf makellosem
Roß durch die Straßen der Hauptstadt zog, drängte man sich allerseits, seine Stiefel zu küssen, und die Gevatterinnen rieben
ihre Rosenkränze an seinen gelobten Lenden. Guise war in aller Augen der heilige Georg, der den protestantischen Drachen besiegen
und mit tausend Stößen durchbohren würde.
Keinen Augenblick aber konnte Condé sich einer so glühenden Liebe schmeicheln. Zum ersten, weil er selbst der reformierten
Religion angehörte, und obwohl die antiprotestantischen Gefühle sich seit dem Edikt von Nantes ein wenig gemildert hatten,
machte ihn schon sein Hugenottentum verdächtig. Seine Sitten, die ihn, wäre er kein Prinz gewesen, auf den Scheiterhaufen
gebracht hätten, stießen die Allgemeinheit ab. Seine Legitimität blieb zweifelhaft. Und das Schlimmste, er war klein, dürr,
krummnasig, kurzum ›unansehbar‹, wie die Prinzessin Conti gern sagte.
Trotzdem versuchte Condé, sich als Ankläger des Unrechts und als Reformator von Mißbräuchen vor die Nation zu stellen. Von
Mézières aus richtete er ein Manifest in Briefform an die Regentin, das zugleich ihre Herrschaft verurteilte und seine Kandidatur
für die Thronfolge anmeldete.
|235| Seine Anklagen reichten weit: die Kirche werde nicht genug geehrt, der Adel sei arm, das Volk mit Steuern überlastet, die
Ämter seien zu teuer, die Gerichte lägen am Gängelband. Vor allem aber beklagte Condé, daß die »königlichen Finanzmittel«
vergeudet und verschleudert würden.
Das Komische an diesem Vorwurf war, daß er die Marschälle von Ancre meinte, daß Condé den Vorwurf aber ebensogut an sich selbst
hätte richten können, zog man in Betracht, was er und die anderen Großen den Schatz bereits zu Anfang der Regentschaft gekostet
hatten und weiterhin kosten würden, falls die Macht, wie er es erwartete, sich seine Loyalität mit Goldsäcken zurückkaufen
würde.
Weil es ihn aber nicht allzu ruhmvoll dünkte, Frieden nur gegen Geld anzubieten, warf Condé über seine Habgier den Schleier
des ›Gemeinwohls‹, er forderte die Einberufung der Generalstände, um die Mißbräuche abzustellen, und daß die spanischen Hochzeiten
bis zu deren Tagungsschluß aufgeschoben würden, obwohl er die Eheverträge mit unterzeichnet hatte.
Condé verschickte sein Manifest an alle französischen Gerichtshöfe mit der Aufforderung, ihn zu unterstützen. Doch keiner
antwortete ihm. Einige expedierten die Sendung ungeöffnet an den König.
Und verderbt, wie er war, ging Condé noch weiter. Durch Schmähschriften verbreitete er, die Regentin treibe es mit dem Concini
– eine alte Leier, die aber vom Pöbel bereitwillig aufgegriffen wurde –, und sie plane, den König vergiften zu lassen, um
an der Macht zu bleiben – eine Schändlichkeit, auf die nicht einmal Mariette verfallen wäre.
So stand es mit jenen unerquicklichen Intrigen, als mir eine neue Sache zu Ohren kam, und zwar so unerwartet, daß es mir die
Sprache verschlug. Man wird sich erinnern, daß ich in meiner Wohnung das gute Abendessen, das mein Koch Robin bereitete, gemeinsam
mit La Barge einzunehmen pflegte. Das war kein Verstoß gegen die Etikette, denn mein Page war, wenn auch bescheidener, so
doch adliger Herkunft, und allein bei Tisch schmeckte es mir einfach nicht.
Das Gute daran war außerdem, daß ich vor La Barge auch längere Zeit schweigen konnte, ohne ihn zu kränken. Seine Gegenwart
bot mir den Vorteil, daß ich Gesellschaft hatte, die |236| mir gleichwohl deren Verpflichtungen ersparte. Trotzdem gab ich mich vor ihm nicht so groß, daß er nicht sprechen durfte,
sofern er um die Erlaubnis bat,
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