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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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und
     Heckenbrüdern nichts zu befürchten.
    In einer dritten Karosse unter der Ägide von Monsieur de Réchignevoisin saßen der Leibarzt der Herzogin, ihr Masseur, ihr
     Almosenier und ihre Astrologen, damit weder der überfüllte Magen meiner lieben Patin noch ihre empfindliche Haut, noch ihre
     unruhige Seele in den zwei langen Reisemonaten unversorgt blieben.
    In der vierten, rein weiblich besetzten Karosse waren zwei Zofen, zwei Friseusen und eine Fußpflegerin, knusprige junge Dinger,
     einer Art weiblichem Majordomus unterstellt, damit sie durch Äugeleien keinen Zank zwischen den Männern des Zuges entfachten.
    Die fünfte Karosse, die, wenn auch mit den Wappen gezeichnet, eher einer Kutsche glich, war einem Koch, zwei Gehilfen und
     drei Lehrjungen sowie den sperrigen Gerätschaften ihrer Kunst vorbehalten.
    Zwei Karren folgten. Der erste enthielt Waffen, Ersatzräder und –achsen, der zweite Truhen, Wandbehänge und Teppiche, damit
     die beiden hohen Damen es in den jeweiligen Unterkünften schön und bequem hätten. Zwei Wagner und drei Hufschmiede auf Maultieren
     folgten dem ersten Karren, und diese sollten sich in der Tat als sehr nützlich erweisen, weil die Straßen trotz Sullys Bemühungen
     nicht gleichmäßig gepflastert und seit dem Tod unseres Henri dank der Seigneurs, durch deren Besitz sie führten, verwahrlost
     waren.
    Den Schluß bildeten ein gutes Dutzend Soldaten auf großen Pferden und in schönen Waffenröcken mit den Feldzeichen der Guise,
     kräftige Lothringer, weit überheblicher als ihre Herrin, doch in Anbetracht der Schweizer auch nur Zier und Ehre des Gefolges,
     das, wie der Leser zugeben muß, nun tatsächlich mehr als bescheiden, ja fast schon entehrend war für eine Prinzessin von Geblüt.
    »Mein Sohn«, sagte der Marquis de Siorac, »macht Euch keine Illusionen: das Schlimmste auf solchen Reisen ist diese |265| Überzahl an Beteiligten. Unter Heinrich III. habe ich den Herzog von Épernon auf einer großen Reise von Paris in die Guyenne
     begleitet, wo er mit unserem Henri zusammentreffen sollte, damals noch König von Navarra. Aus politischen Gründen sollte der
     Pomp dieser Gesandtschaft groß sein. Und der Zug war dreitausend Personen stark. Ihr könnt Euch das endlose Band der Karossen,
     Karren und Berittenen nicht vorstellen, das sich mit unerträglicher Langsamkeit über die staubigen Landstraßen des Reiches
     wälzte, in glühender Sonne, im ohrenbetäubenden Lärm der Hufe, der Räder, von den dichten Staubwolken, die sie aufwirbelten,
     gar nicht zu reden. Und da mußte plötzlich gehalten werden, da scheuten die Pferde, Räder und Achsen brachen, Karossen stürzten,
     ein Geschrei und Gestreite, und zu guter Letzt gab es auf den Stationen nie ausreichend Essen und Lagerstatt für so viele
     Menschen. Kurzum, ein Alptraum! Schlimmeres hat Dante auch in seinem
Inferno
nicht geschildert!«
    »Hört auf, Herr Vater«, rief ich lachend, »oder wollt Ihr mich abschrecken mit Eurer Beschreibung?«
    »Mitnichten«, sagte mein Vater lächelnd, »vielmehr möchte ich uns dreien dieses gräßliche Drunter und Drüber ersparen. Ihr
     müßtet nur einwilligen, mein Sohn. Ich gedenke nämlich, die Regentin vermittels Eurer lieben Patin zu ersuchen, daß wir als
     Avantgarde vorausfahren dürfen und an jeder neuen Etappe für Quartiere sorgen. So ein Amt macht viel Arbeit, und ich denke,
     es wird mühelos zu haben sein.«
    »Warum, Herr Vater, wollt Ihr Euch eine solche Mühsal aufladen?«
    »Weil man anderthalb Stunden vor Ihren Majestäten losfahren kann und damit allem entgeht, dem schleppenden Vorwärtskommen,
     dem Krawall, dem Durcheinander und den entsetzlichen Staubschwaden.«
    »Aber das heißt im Morgengrauen aufstehen!« sagte La Surie erschrocken.
    »Allerdings. Dafür, Chevalier, reisen wir schneller, ohne besagte Ärgernisse und können sicher sein, daß wenigstens wir drei
     vor Teuerung und Verknappung noch zu Tisch und Bett kommen.«
    »Ein guter Gedanke, Herr Vater«, sagte ich nach kurzem Nachdenken. »Und warum braucht Ihr dazu meine Einwilligung?«
    |266| »Die Zustimmung der Regentin vorausgesetzt, wäre es für einen Ersten Kammerherrn unerläßlich, auch die des Königs einzuholen.«
    Das tat ich am folgenden Tag, und Ludwig war sogleich einverstanden, daß ich mit meinem Vater und La Surie die Vorhut bildete,
     sofern es seiner Mutter genehm wäre. Er hatte kaum ausgesprochen, als ihm der Küraß gebracht wurde, der extra für diese große
     Reise

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