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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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nach Westen für ihn angefertigt worden war für den Fall, daß Condé angreifen sollte: ein recht unwahrscheinlicher Fall,
     denn beim ersten Gerücht, daß sechstausend Schweizer an der Loire aufmarschieren würden, hatte Condé sich aus der Umgebung
     von Poitiers weiter nach Süden verzogen. Ich muß gestehen, daß es mir noch heute, nach vierzig Jahren, da ich diese Zeilen
     niederschreibe, ein unergründliches Geheimnis bleibt, wie ein so schlappschwänziger Mann einen so tapferen Sohn zeugen konnte. 1
    Wie dem auch sei, mein kleiner König war trunken vor Freude, seinen Küraß anzulegen, so als machte ihn die stählerne Hülle
     auf einmal zum Mann und als schlüpfte er damit in die Haut seines Vaters. Hin und her schritt er durch seine Gemächer, unbekümmert
     um den Schweiß, der ihm in dieser Gewandung und bei der Julihitze von den Wangen troff, er beugte Arme und Beine, um die Geschmeidigkeit
     der Metallgelenke zu erproben, er ließ sich Degengehänge und Hakenbüchsen bringen, um zu sehen, ob er sie in diesem Aufzug
     handhaben konnte. Er trat auf die Galerie hinaus und lief eine Strecke, um sich zu überzeugen, daß seine Bewegungen durch
     das Gewicht nicht zu sehr verlangsamt wurden. Sogar sein Pferd mußte gesattelt und herbeigeführt werden, damit er sähe, ob
     er, so beschwert, nicht zuviel von seinen reiterischen Fähigkeiten einbüßte.
    Heroisch schwitzend, wollte Ludwig seinen Küraß unbedingt mehrere Stunden anbehalten. Und als er ihn endlich auf Souvrés dringliche
     Ermahnung hin ablegte, wollte er ihn neben seinem Bett unter seinen Augen haben, bis man ihn in seiner nächsten Nähe in der
     Karosse verstaute. Meines Erachtens hatte er sich noch nie sehnlicher gewünscht, einige Jahre älter und endlich Herr seines
     Reiches zu sein, um Condé beim Kragen |267| zu packen und ihn, gedemütigt und reuig, nach Paris zu schleifen, so wie sein Vater es mit dem Herzog von Bouillon gemacht
     hatte, der auf den Wällen von Sedan das Großmaul spielte, bis unser Henri mit seinen Soldaten vor seinen Mauern erschien.
    Ludwig sollte am zweiten Juli abreisen, die unvermeidlichen Verzögerungen aber, die bei solchen Großunternehmen aufzutreten
     pflegen, bewirkten, daß er erst am fünften Juli um halb acht Uhr morgens die Karosse bestieg.
    Mein Vater, La Surie und ich waren bereits um sechs Uhr aufgebrochen, mühelos holten wir die Schweizer ein, die Paris um halb
     fünf Uhr zu Fuß verlassen hatten, und erreichten um halb neun Uhr rechtzeitig Longjumeau, um für Ihre Majestäten und die Großen
     des Louvre die Tafel vorzubereiten; das erste Nachtlager sollte später in Ollainville statthaben.
    Für Ludwig brachte diese Reise einen großen Vorteil. Außer daß er Berge und Täler, Dörfer und Städte seines großen Reiches
     kennenlernte, war sein Tagesablauf dergestalt, daß zu seiner großen Erleichterung kein Unterricht stattfand. Aber da die Rastorte
     Jagd und Vogelstellerei ausschlossen, langweilte er sich mitunter auch sehr.
    Einer weisen Entscheidung zufolge fuhr der königliche Zug allmorgendlich nur drei Stunden und setzte sich erst am späten Nachmittag,
     nach der größten Hitze, wieder in Bewegung. Und auch dann wurde nicht länger als drei Stunden gefahren. So bewahrte man die
     Pferdehufe vor Erkrankung – und schonte auch Eingeweide, Kreuz und Rückgrat der Karosseninsassen, die von den holprigen Straßen
     gewaltig durchgeschüttelt wurden. Auf diese Weise wurden täglich zehn Meilen zurückgelegt 1 , ein gemächliches Tempo, das man aber gar nicht hätte erhöhen können, um sich von den zu Fuß marschierenden Schweizern nicht gefährlich weit zu entfernen.
    Nichtsdestoweniger wurde Ludwig die Zeit unerträglich lang zwischen halb elf Uhr morgens, wenn er diniert hatte, und vier
     Uhr nachmittags, wenn man weiterfuhr. Wie ich hörte, ging er in Langerie, einer Etappe zwischen Toury und Orléans, nachdem
     er in einem Bauernhaus gespeist hatte, in den Garten und schoß mit der Büchse auf kleine Vögel. Einen erlegte er, die anderen
     flogen davon.
    |268| Als Monsieur de Souvré ihn so unbeschäftigt und darüber recht unglücklich sah, führte er ihn in eine Scheune, wo er ihn zum
     Kartenspiel mit seinen Edelleuten aufforderte. Aber das Spiel, das Ludwig müßig und nichtsnutzig dünkte, war ihm bald schon
     über. Er warf die Karten hin und ging in den Kuhstall, wo ein Knecht beim Melken war. Das hatte er noch nie gesehen, und nachdem
     er eine Zeitlang aufmerksam zugeschaut

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