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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hatte, wollte er die notwendigen Handgriffe erlernen. Nach einigen Versuchen gelang
     es ihm, die Milch zum Fließen zu bringen, und nun molk er eine Kuh nach der anderen und war so eifrig bei der Sache, daß man
     ihn von den Eutern wegholen mußte, damit er die königliche Karosse bestieg.
    Ein Stück vor Orléans ließ man halten. Ludwig wurden Kniehosen und Wams ausgezogen, die laut Berlinghen ein bißchen sehr nach
     Kuhstall rochen. Man kleidete ihn in ein glänzendweißes Seidengewand, bestickt mit Perlen. Dann wurde ihm ein Schimmel mit
     prächtiger Schabracke gebracht, und glücklich schwang er sich in den Sattel. Und mit den Offizieren seines Hauses – bei denen
     ich leider nicht sein konnte, weil ich für die Unterkünfte in Orléans sorgen mußte – holte er die Schweizer Söldner ein, die
     ihm höflich applaudierten, als er an ihren Reihen vorübergaloppierte; aber ihr Beifall war nichts im Vergleich mit den nicht
     enden wollenden Freudenrufen und Ovationen des Volkes von Orléans.
    Vier Tage und drei Nächte in Gasthöfen (oder, soweit es den König angeht, auf Schlössern) hatte man für die zweiunddreißig
     Meilen von Paris nach Orléans gebraucht. Und nur sehr wenige Untertanen der guten Stadt hatten jemals an eine so lange, so
     teure und so gefahrvolle Reise in umgekehrter Richtung gedacht, geschweige denn, eine solche unternommen. Daher strömten sie
     über vor Dankbarkeit, daß Ludwig zu ihnen gekommen war, und sie glaubten ihren Augen nicht zu trauen, als sie in ihren Mauern,
     fast zum Anfassen nah, nun den König von Frankreich erblickten, der für sie bis dahin nicht weniger sagenhaft gewesen war
     als ein Heiliger in den Kathedralenfenstern von Sainte-Croix.
    Die Städte an der Loire, Orléans, Blois, Tours, Saumur, Angers und Nantes, waren vierzehn Tage zuvor von der Ankunft Ihrer
     Majestäten unterrichtet worden. Sie hatten ihre Straßen geputzt, wenigstens die, wo der König entlangkommen |269| würde, und sie mit Laub und Blumen geschmückt wie auch Podeste errichtet, auf denen der König thronen sollte, während die
     Notabeln der Stadt ihm ihre hochgeschwollenen Ansprachen hielten.
    Gewissenhaft bestrebt, seine Sache gut zu machen, hörte Ludwig diese ellenlangen Reden ernst und geduldig an, entsann sich
     im stillen der Antworten, die er geben mußte und die Monsieur de Souvré ihm schriftlich vorbereitet hatte, doch ließ er es
     sich auch nicht nehmen, sie nach seinem Gefallen abzuändern. So weigerte er sich in Nantes, als er die Präsidenten des Rechnungshofes
     empfing, ihnen zu sagen, er sei ›sehr zufrieden mit ihren Diensten‹.
    »Ich bezweifle«, sagte er später vertraulich zu Héroard, »daß sie mir alle gut gedient haben.«
    Ein bißchen komisch fand ich es, daß der triumphale Einzug des Königs in manche seiner guten Städte nicht immer mit seiner
     tatsächlichen Ankunft übereinstimmte. Wir weilten bereits drei Tage im Schloß zu Nantes, als Ludwig aus den Fenstern sah,
     wie Handwerker vor dem Schloß ein Podest errichteten, das einen großen goldenen Thronsessel trug. »Was soll das?« fragte er.
     – »Sire«, sagte Souvré, »das ist zur Feier Eures Einzugs in Nantes.« – »Aber«, sagte Ludwig lächelnd, »bin ich nicht schon
     hier?« – »Gewiß, Sire, aber es geht um Euren offiziellen Einzug.« Und tatsächlich, am selben Tag um fünf Uhr nachmittags,
     als die größte Hitze vorüber war, kam der König, nachdem er Nantes kurz verlassen hatte, auf seinem weißen Roß und unter seinem
     lilienbesäten Baldachin zum Tor Saint-Nicolas hereingezogen, und Straße um Straße jubelte das Volk ihm zu, und zwar ebenso
     unermüdlich, als wäre es keine Wiederholung gewesen.
    * * *
    Aber Nantes war ja das Ziel und die letzte Etappe dieser großen Reise. Und so möge meine schöne Leserin noch einmal die Loire
     stromauf mit mir gehen – fürs erste wenigstens bis Tours –, weil ich doch zwei Ereignisse nicht unerwähnt lassen will.
    Von Blois nach Tours hatte die Regentin einen großen Umweg über Montrichard gemacht, um nicht durch Amboise zu |270| müssen, das der Vertrag von Sainte-Menehould Condé überlassen hatte, wenigstens bis zur Einberufung der Generalstände. Sowie
     nun jene, die im Namen des Prinzen zu Amboise regierten, erfuhren, daß der König mit fünftausend Edelleuten und sechstausend
     Schweizern in Tours war, eilten sie herbei, ihm die Schlüssel ihrer Stadt zu überreichen. Aber die Regentin, kleinmütig wie
     stets, lehnte diese

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