Königskind
ab, weil sie den Vertrag nicht brechen wollte, als ob ein Vertrag mit einem Abtrünnigen das königliche
Wort binden könnte.
Mehr Erfolg hatte bei ihr der Bischof von Poitiers, der gleichfalls nach Tours kam und die Königin bat, in seiner Stadt wieder
Ordnung herzustellen, die bekanntlich durch Condés Parteigänger bedroht war. Und Monsieur de Villeroy drang in sie, bis sie
sich endlich entschloß. Die Einwohner von Poitiers begrüßten den König freudig bei seinem Einzug. Und das Poitou kehrte, ohne
Schwertstreich befriedet, in die königliche Hand zurück. Es war eine der ersten Wohltaten dieser Reise.
Auf dem Weg von Tours nach Poitiers logierte Ludwig in Châtellerault, wo er gleich nach seiner Ankunft gegen sechs Uhr abends
die Brücke über die Vienne besichtigte, die sein Vater hatte erbauen lassen. Er bewunderte sie lange, still in sich gekehrt,
einen Anflug von Traurigkeit im Gesicht. Ich weiß nicht, ob es die Gedanken an seinen Vater waren, die ihm ›seine Kinder‹
in den Sinn riefen, jedenfalls beschloß er trotz der späten Stunde, einige ›Kleinigkeiten‹ für sie einzukaufen. Und weil er
gehört hatte, daß Châtellerault für seine Messerschmieden berühmt war, ließ er sich eine noch einmal öffnen und erwarb ein
Messer für Monsieur, der Messer sammelte. Und als er den Messerschmied fragte, was es in der Stadt Hübsches für Mädchen gebe,
führte ihn der Mann zu einem Gevatter, der kleine einheimische Diamanten schliff. Ludwig kaufte drei gleich große für seine
drei Schwestern. Der Preis war so hoch, daß er seine Börse leeren mußte, was er für gewöhnlich vermied, denn er ging mit seinem
Geld sparsam um, weil die Königin, so großzügig sie den Concinis gab, ihn damit nur kärglich bedachte.
Da meine schöne Leserin mich nun einmal so bereitwillig von Nantes nach Tours zurückbegleitet hat, bitte ich sie, abermals
mit mir von Tours nach Blois stromauf zu gehen, wobei sie in |271| dieser Rückkehr weder Laune noch Verschrobenheit erblicken möge, sondern einen Schritt, den die Ökonomie meiner Erzählung
erfordert, weil die Szene, die ich ihr jetzt darbieten will, höchst folgenreich sein wird für den Fortgang meiner Geschichte.
Wie man sich erinnern wird, hatte Ludwig uns befohlen, ihn im Schloß zu Blois zu erwarten, weil er dortselbst Fragen an meinen
Vater stellen wollte. Am fünfzehnten Juli um sechs Uhr abends traf er also dort ein, und nachdem er morgens das Schloß Chambord
besichtigt und überaus bewundert hatte, war er vom Schloß zu Blois zuerst ein bißchen enttäuscht und fand nur den durchbrochenen
Treppenturm Franz’ I. zu rühmen. Gleichwohl staunte er sehr über den Saal der Generalstände ob seiner Größe. Bellegarde, der
mit uns war, erklärte ihm, daß dieser Saal zuzeiten der Grafen von Blois nur eine prachtvolle Decke in Form eines umgekehrten
Schiffes hatte, und daß Heinrich III., um den Saal zu vergrößern, ein zweites ganz gleiches Schiff parallel zum ersten hatte
anbauen und beide verbinden lassen durch eine stützende Säulenreihe, die in Arkaden mitten durch den Raum lief. Wenn dies
auch nicht allzu einfallsreich war, bemerkte Bellegarde, so offenbarte die Wirkung doch einen sicheren, ja glücklichen Instinkt
für die Schönheit der Dinge: die beiden umgekehrten Schiffe lagen wie kieloben Bord an Bord.
Bei diesem ersten Treffen empfing Ludwig meinen Vater sehr liebenswürdig, aber wahrscheinlich weil Bellegarde und ein gutes
halbes Dutzend Edelleute dabei waren, stellte er ihm keine Fragen. Doch als er in sein Zimmer kam, dasselbe, das Heinrich
III. im Jahr 1588 innehatte und wo auch der Herzog von Guise ermordet worden war, nützte er einen Moment, da wir allein waren,
mir zu sagen, wir sollten ihn am nächsten Morgen um Schlag neun Uhr auf der großen Allee erwarten, die von Schloß Blois nach
La Noue führt.
La Noue ist ein Edelsitz unweit von Schloß Blois, den man über eine große, befahrbare und von Linden gesäumte Allee erreicht,
die in dieser Jahreszeit betörende Düfte verströmten. Während 1588 die Generalstände tagten, die ihm so feindlich gesinnt
waren, zog Heinrich III. sich gern zwei, drei Tage in der Woche dorthin zurück, um einen Anschein von Ruhe zu finden. Auf
Anordnung der Herzogin von Guise (und mit |272| Zustimmung der Regentin) hatte ich dort meine liebe Patin einquartiert, weil sie sich weigerte, ›auch nur die Fußspitze in
jenes teuflische Schloß
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