Königskind
König.«
»Warum?«
»Er hielt ihn für schwach, läppisch, bar jeder Durchsetzungskraft. Und ebendiese Meinung bemühte sich Heinrich ihm von sich
zu geben.«
»Ihr wollt damit sagen, Monsieur de Siorac«, fragte Ludwig, »daß Heinrich ihn täuschte?«
»Mehr als das, Sire. Er spielte Komödie und spielte sie gut.«
»Und diese Komödie wiegte Guise in Sicherheit?«
»Ja, Sire. Er dachte, Heinrich werde nie den Mut aufbringen, sein Leben anzutasten.«
»Wie bereitete der König diesen Anschlag vor?«
»Er rief diejenigen seiner Räte, denen er voll vertraute, in einem Pavillon des Schloßparks zusammen und lieferte ihnen die
Beweise, daß Guise sich mit Philipp II. von Spanien verbündet hatte. Er schloß mit den Worten, die mir unauslöschlich im Gedächtnis
stehen: ›Da der Herzog im Begriff ist, sich des Reiches zu bemächtigen, nachdem er dessen Säulen niedergeschlagen hat, ersuche
ich Euch, meine Herren, die Ihr selbst jene Säulen seid, mir zu raten, welchen Entschluß ich fassen soll.‹ Hierauf sprach
Montholon, der Siegelbewahrer, man solle den Herzog von Guise festnehmen und ihn der Justiz überstellen. Mit äußerster Heftigkeit
entgegnete aber Revol: ›Dieser Eber ist für unsere Netze zu stark! Wo fändet Ihr den Ort, ihn festzusetzen, die Zeugen, ihn
anzuklagen, und die Richter, ihn zu verurteilen? Ich meine, da es sich um einen erwiesenen Verräter handelt, muß die Strafe
dem Urteil vorausgehen.‹«
»Monsieur de Siorac«, sagte Ludwig blitzenden Auges, »wollt Ihr diesen Satz bitte wiederholen.«
»Gerne, Sire. ›Da es sich um einen erwiesenen Verräter handelt, muß die Strafe dem Urteil vorausgehen.‹ Woraufhin Heinrich
fragte: ›Welche Strafe, Revol?‹ und Revol, ohne mit der Wimper zu zucken, sprach: ›Der Tod, Sire!‹ Alle |275| Anwesenden, außer Montholon, schlossen sich dieser Ansicht an.«
»Wer war das?«
»Bellegarde, Marschall d’Aumont, François d’O, d’Ornano, Rambouillet und ich. Weil ich aber nur als Belastungszeuge zugegen
war, forderte der König mich nicht auf, meine Stimme abzugeben.«
Ich war sprachlos. Nie hatte mein Vater mir gesagt, daß er diesem engen Rat als Zeuge beigewohnt hatte. Ebensowenig hatte
er mir die Passage seiner Memoiren zu lesen gegeben, wo er dies enthüllt.
»Fahrt fort, Monsieur de Siorac«, sagte Ludwig.
»Der König billigte das Votum mit den Worten: ›Da der Verräter seinen Mutwillen immer weiter treibt, bin ich zu dem Beschluß
gelangt, daß sein längeres Leben mein Tod wäre, der Tod aller meiner Freunde sowie der Ruin des Reiches. Meine Herren, der
Rat ist beendet.‹ Ihr werdet bemerken, Sire, daß der König, nachdem Guises Tod beschlossen war, mit seinen Räten nicht über
Ort, Zeitpunkt und Mittel sprechen wollte.«
»Warum?«
»Weil Montholon für einen Prozeß gestimmt hatte, mißtraute ihm Heinrich nun. Einige Tage später jedoch berief er einen noch
kleineren Rat ein, das war am Mittwoch, dem einundzwanzigsten Dezember, im alten Kabinett, das an das Gemach grenzt, Sire,
das Ihr heute im Schloß bewohnt.«
»Ich weiß«, sagte Ludwig.
»Dieser Rat bestand aus Bellegarde, Revol, dem Gardehauptmann Larchant und mir. Heinrich zeigte sich in seinem Vorhaben mehr
denn je entschlossen, weil Guise am selben Morgen die Stirn gehabt hatte, von ihm das Konnetabelnamt zu fordern.«
»Ich weiß«, sagte Ludwig. »Fahrt fort, Monsieur de Siorac.«
»Das Schwierigste war, Guise von seinem zahlreichen Gefolge zu trennen, das ihn überall begleitete, denn ein Treffen zwischen
seinen und unseren Edelleuten konnte viele Tode bringen, nur gerade nicht den, der dem Staat nützlich war. Deshalb wurde beschlossen,
daß das Attentat an einem Sitzungstag stattfinden sollte, weil die Herren an einem solchen Tag so zahlreich begleitet erschienen,
daß die Gefolgsleute im Hof bleiben mußten.«
|276| »Aber«, sagte Ludwig, »das hätte Guises Gefolge nicht daran gehindert, beim ersten Ruf herbeizueilen.«
»Das wurde bedacht, Sire. Deshalb setzte Heinrich die Tagung um sieben Uhr morgens an, weil er damit rechnete, daß kaum einer
von Guises Leuten an einem vierundzwanzigsten Dezember bei Tagesanbruch aus dem Bett steigen mochte.«
»Es brauchte doch aber einen Vorwand für die frühe Stunde«, sagte Ludwig.
»In der Tat, Sire. Heinrich verkündete, er wolle an jenem Morgen beizeiten sein Haus La Noue aufsuchen, und wünsche die Sitzung
vorher abzuhalten.«
»Gut«, sagte Ludwig,
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