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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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einer Hand den Leuchter, in der anderen noch einen Becher,
     die nicht ohne Erröten, aber mit bestrickendem Lächeln fragte, ob ich ihr nicht die Ehre erweisen wolle, auf ihr Wohl mit
     ihr zu trinken.
    Die Dame hieß Madame de Cé, und ich weiß nicht, in welcher Beziehung sie zu jener Stadt südlich von Angers stand, Ponts-de-Cé
     mit Namen, die Ludwig sechs Jahre später berühmt machen sollte durch den leichten Sieg, den er dort über die Großen und über
     seine Mutter davontragen sollte.
    Nicht daß es Madame de Cé, dem Landadel entsprossen, an Geist, Manieren oder Erziehung mangelte, nur war es ja nicht ihre
     Schuld, daß sie, mit dreißig Jahren verwitwet, allein dastand und dabei alles andere als glücklich war. Vom Äußeren her war
     sie eine zierliche, wohlgebaute Brünette, lebhaft, frisch, mit anreizenden kleinen Mienen, die einigen Appetit erregten und
     mir übrigens eher naiv als schamlos erschienen.
    Ich warf mir ein Kleidungsstück über und stieß mit ihr an. Sofort schenkte sie mir wieder ein, und wir wären weiter und weiter
     gerutscht auf der Bahn, hätte ich, da ich der Gefahr inne wurde, als ich den Teint der Dame purpurn werden und ihre Taille
     nachgeben sah, ihr nicht wie beiläufig, doch tiefernst gesagt, daß ich für eine edle Dame in Paris entbrannt wäre und ihr
     Treue geschworen hätte.
    Das hübsche Gesicht von Madame de Cé wurde so unschuldig verzweifelt, daß ich sie um ein Haar zum Trost in die Arme genommen
     hätte. Doch meiner gutmütigen Regung mißtrauend, |279| hinter der kleine Dämonen ja nur auf ihren Triumph lauerten, ersann ich einen weiseren Schritt: ich schlug vor, meinen Vater
     zu uns zu laden, was sie sogleich guthieß, und als der Marquis de Siorac sich einstellte, überließ ich ihm meinen Becher,
     so daß nun ein drittes Wohl auf sie getrunken wurde, dann ein viertes, bis es ihr im Kopf schwindelte und sie wankend, auf
     den Arm meines Vaters gestützt, mit ersterbender Stimme bat, er möge sie in ihr Zimmer geleiten. Was er tat und es nicht bereute,
     nicht nur diese, sondern auch die beiden Nächte danach.
     
    Jedesmal, wenn wir in einer großen Stadt weilten, wo wir uns länger als einen Tag aufhielten, schrieb ich an meine Gräfin,
     und weil ich meinen Brief dem königlichen Kurierdienst übergab, war ich ziemlich gewiß, daß sie ihn über kurz oder lang erhalten
     würde. Doch weil ich mir unsicher war, ob meine Post nicht geöffnet wurde, gebrauchte ich eine Art Geheimsprache und unterzeichnete
     nur P, ohne mit unserem Wappen zu siegeln. Mit diesen Briefen mußte ich mich begnügen, ohne jemals Antwort zu erwarten, weil
     Frau von Lichtenberg sie nicht hätte adressieren können, denn der Zeit- und Wegeplan unserer Fahrt blieb geheim. Mein Vater
     und ich erfuhren an jeder Etappe erst am Abend, wohin es am nächsten Morgen weiterging.
    Obwohl ich unter dieser Trennung sehr litt und ich mich wie um einen Teil meiner selbst beschnitten fühlte, begriff ich durchaus,
     daß der Daheimgebliebene mehr zu beklagen ist als der andere, der ihn zurückläßt. Denn für mich, der ich so viele neue Gesichter,
     Landschaften, Städte und Schlösser in diesem großen Königreich sah, wurde durch tausend bemerkenswerte oder angenehme Dinge
     abgelenkt, während meine Gräfin zu Hause in dem kleinen Kabinett lebte, wo sie mir meine Waffeln zu streichen pflegte, oder
     in jenem Zimmer, das sommers wie winters der Zeuge unserer Umarmungen und unseres zärtlichen Geflüsters gewesen war.
    Außerdem hatte diese Reise entlang der Loire für mich das Bezwingende, daß, je weiter die riesige Kavalkade auf Frankreichs
     Straßen vordrang, sie nicht nur den Freudenbekundungen eines Volkes begegnete, das in seinen kleinen König geradezu vernarrt
     war, sondern auch der völligen Niederlage seiner |280| Feinde. Während im Haus meiner Gräfin alles zu ihr von mir sprach, rief und lockte alles auf unserer großen Reise nach Westen
     mich anderswohin, so daß ich einige Gewissensbisse verspürte, wenn ich abends in so oft wechselnden Zimmern, deren Neuheit
     mich jedesmal erstaunte, den Kopf auf dem Kissen, feststellte, daß ich zum erstenmal am Tag an sie dachte, obwohl sie mir
     doch immer hätte gegenwärtig sein müssen, in allen meinen Sinnen und in jeder Minute meines Lebens.
    In Blois versäumte ich nicht, Madame de Guise in La Noue zu besuchen und fand sie in schwerem Kummer, denn einen Monat, bevor
     sie Paris verlassen hatte, war ihr jüngster Sohn – ich

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