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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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»es gibt aber drei Treppen, über die Guise hätte fliehen können: die Wendeltreppe vor der Tür meines
     Gemachs, die in das daruntergelegene Zimmer führt, das heute meine königliche Mutter bewohnt.«
    »Dieses Zimmer, Sire, hatte damals die Mutter Heinrichs III. inne, die sehr krank war, und um ihre Ruhe zu schützen, wurde
     die Treppe mit Garden besetzt, die Befehl hatten, niemanden durchzulassen.«
    »Und die Wendeltreppe, die vom alten Kabinett hinunterführt?« fragte Ludwig gespannt.
    »Diese Treppe, Sire, und das alte Kabinett waren besetzt von den
Fünfundvierzig

    »Bleibt aber die durchbrochene Turmtreppe außen«, sagte Ludwig.
    »Sie wurde von Larchants französischen Garden besetzt unter dem Vorwand, daß sie ihren Sold einfordern wollten, den sie seit
     drei Monaten nicht erhalten hatten.«
    »Mußte man«, sagte Ludwig, »nachdem Guise eingetroffen war, nicht auch alle Tore und Türen des Schlosses sperren?«
    »Auch das wurde bedacht und getan«, sagte mein Vater.
    Ludwig verharrte eine Zeitlang schweigend und mit gesenkten Augen, so daß mein Vater schließlich fragte: »Sire, soll ich weiter
     berichten?«
    »Danke, Monsieur de Siorac, die Folge kenne ich. Was ich trotzdem schwer verstehe, ist, daß Guise nicht mißtrauisch wurde.«
    »Gewiß, Sire, zumal Heinrich ihn am Vortag hart hatte abfahren lassen, als er ihn nach der Messe um das Konnetabelamt angegangen
     war. Aber die Königinmutter (bei diesem Wort |277| verzerrte sich unwillkürlich Ludwigs Mund), die von dem Streit gehört hatte, rief beide an ihr Krankenbett, um sie auszusöhnen.
     Sie kamen. Und Heinrich spielte wunderbar seine Rolle: er war lammfromm, wickelte Guise mit Freundlichkeiten ein und versprach
     halbwegs, ihm binnen kurzem ein hohes Amt im Staate zu geben. Das war der Köder, und am folgenden Tag biß Guise an.«
    »Monsieur de Siorac, ich danke Euch tausendmal«, sagte Ludwig rasch. »Erinnert Euch bitte, daß Ihr mich heute morgen nicht
     gesehen habt. Siorac«, wandte er sich an mich, »wollt Ihr bitte La Surie fragen, ob der Weg frei ist?«
    Was ich sogleich tat, und da ich sonst niemanden sah, kehrte ich um, vom König Urlaub zu nehmen. Leichten Schrittes entfernte
     er sich auf dem Weg nach La Noue zu Madame de Guise, dem vorgeblichen Ziel seines Spaziergangs.
    Wir waren ebenfalls in La Noue, unweit von Madame de Guise, bei einer liebenswürdigen Witwe einquartiert, die uns auf unser
     stattliches Äußere und meines Vaters Band eines Ritters vom Heiligen Kreuz hin Haus, Tisch und Herz geöffnet hatte. Mein Vater
     sagte den ganzen Tag kein Wort über seine Begegnung mit dem König, und als er endlich sprach, stellte er lediglich fest: »Er
     wird erst dreizehn, und der Hof hält ihn für zurückgeblieben. Aber ich glaube, er ist seinem Alter weit voraus.«
    Mehr sagte mein Vater nicht, erst drei Jahre später kam er auf das Thema zurück.
    * * *
    Die Witwe, die uns so gastfreundlich aufgenommen hatte, kam gleichsam von Sinnen, als sie ihr Haus durch die Anwesenheit drei
     gefälliger und wohlberedter Edelmänner belebt sah. Doch wandelte sich ihr Glück in Betrübnis, als sie erfuhr, daß wir nur
     drei Nächte in Blois bleiben würden, während sie wie Circe wünschte, uns durch ihren Zauber ganze Monate festzuhalten. Und
     entschlossen, in Anbetracht dieser Kürze doppelt zuzugreifen, beschenkte sie uns drei von der ersten Minute an mit verführerischen
     Blicken, mit vielversprechendem Lächeln und Seufzern.
    Mehr noch. Das Gefühl, daß die unerbittlich fliehende Zeit ihr diese drei Nächte und die heimlichen Wonnen, die sie sich |278| davon versprach, schnell davontragen werde, trieb sie, die Grenzen kurzerhand zu überschreiten, die Scham und Tugend ihr bei
     längerer Frist gewiß gesetzt hätten.
    Zuerst versuchte sie es mit mir, sei es, daß die Jugend ihr mehr Appetit machte als die Reife, sei es, daß sie mich für unerfahren
     und also für eine leichte Beute hielt. Jedenfalls hörte ich nicht wenig überrascht, wie es am ersten Abend, während ich mich
     entkleidete, an meine Tür klopfte. Es war ein Diener, der mir von seiner Herrin eine Flasche Loire-Wein und einen silbernen
     Becher brachte. Ich drückte ihm ein wenig Geld in die Hand, er verschwand, und als ich mich fertig ausgezogen hatte, wurde
     erneut angeklopft, und ich öffnete, vermeinend, es sei noch einmal der Diener, der mir kleine Happen zum Wein anbieten wolle.
     Ich war baff, unsere Wirtin im Nachtgewand vor mir zu sehen, in

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