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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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verbirgt. Hat sie ihre Galoschen abgelegt, sieht
     man ihre feinen Schuhe. Ihr Mieder ist aus besticktem Samt, ihr Cotillon fast so weit wie ein Reifrock, und sie trägt ein
     goldenes Halsband, das nicht nach Armenhaus aussieht.«
    Mein Vater beugte sich mir zu und sagte
sotto voce
:
» He won’t say she’s pretty, but he did look at her.
1 Und im ganzen, Franz?«
    »Im ganzen, Herr Marquis, könnte man sie, wenn sie aus einer Kutsche stiege, nun ja, nicht für eine vornehme Dame, aber für
     eine Bürgersfrau halten.«
    »Mein Gott!« sagte La Surie. »So hochmütig ist sie geworden?«
    »Nein, hochmütig nicht, Herr Chevalier«, sagte Franz, »und großes Getue macht sie auch nicht. Als sie hereinkam, hat sie Greta
     und Mariette abgeküßt, hat unseren anderen Leuten nett zugelächelt, und mich hat sie respektvoller gegrüßt als früher, wo
     sie noch hier diente. Wenn Ihr erlaubt, Herr Marquis, würde ich sagen, ihr Betragen hat sehr gewonnen.«
    »Schön, Franz, dann führe dieses Wunder herein und sage Mariette gleich, sie kann uns jetzt das Dessert bringen.«
    Als Toinon eintrat, machte sie uns dreien eine schöne Reverenz, und mein Vater, der seine Höflichkeit nach der Besucherin
     richtete, erhob sich halb vom Stuhl, La Surie und ich ahmten ihn nach. Während ich mich wieder setzte, stellte ich fest, daß
     die Anwesenheit meiner einstigen Soubrette mich nicht gleichgültig ließ. Ich verübelte es mir ein wenig, denn ohne so steifleinen
     zu sein wie Franz in seiner ehelichen Treue, hätte ich doch gewünscht, daß mein Denken und Sinnen einzig von meiner Gräfin
     gefangen wäre. Doch alle Tage, die Gott werden ließ, teilte Louison meine Siesta, jetzt flößte Toinons Anblick mir ein schmerzliches
     Ziehen ein, und auch, wenn ich sie nicht heiraten wollte, dachte ich öfter, als ich wollte, an die Vollkommenheiten von Mademoiselle
     de Fonlebon.
    Als ich meinem Vater diese meine Skrupel später bekannte, lachte er nur.
    |41| »Papperlapapp, mein Sohn«, sagte er. »Warum solltet Ihr Euren Träumen entsagen, die Euch bezaubern, ohne jemand zu verletzen?
     Wolltet Ihr statt achtzehn einundachtzig sein? Außerdem, wenn ich an Euren Großvater denke, muß man sogar mit neunzig noch
     nicht ganz abgeklärt sein …«
    Was Toinon angeht, so hatte sie die Erregung wohl bemerkt, die ihr Kommen in mir auslöste. Sie warf mir einen raschen Blick
     zu, einen einzigen, aber dabei blieb es. Dieses Mädchen, dachte ich, ist ihrer mehr Herr als ich.
    »Nun, Toinon, wie geht es uns bei diesem grauen Oktoberhimmel?« fragte mein Vater.
    »Sehr gut, Herr Marquis, habt Dank.«
    »Franz«, sagte mein Vater zu unserem Majordomus, der die Tür weit öffnete, um Mariette hereinzulassen, die in beiden Händen
     eine Suppenschüssel mit duftendem, heißen Birnenkompott brachte, »gib unserer Toinon bitte einen Stuhl. Magst du Birnen, Toinon?«
    »Nein, danke, Herr Marquis.«
    Mein Vater wartete mit der Fortführung des Gesprächs, bis Mariette uns reihum aufgetan hatte. Doch als sie damit fertig war,
     postierte sie sich hinter dem väterlichen Stuhl und drückte die heiße Schüssel, anstatt sie auf den Tisch zu stellen, an ihren
     Bauch, die Neugierde ging ihr über ihr Wohlbefinden.
    »Also, Toinon«, sagte mein Vater, »was hast du auf dem Herzen?«
    »Auf dem Herzen, Herr Marquis, hab ich, daß ich Eure Kutsche vorgestern auf der Gasse hab vorbeifahren sehen und daß sie rundum
     erneuerungsbedürftig ist: die Farbe ist abgeblättert, die Vergoldungen sind blind und die Fenstervorhänge ausgeblichen.«
    Das kam so überraschend, daß mein Vater nicht wußte, was er sagen sollte, denn seit Toinon uns verlassen und den Bäckermeister
     Mérilhou geheiratet hatte, war sie stets nur zu uns gekommen, um sich in eigenen Anliegen Hilfe zu erbitten, aber noch nie,
     um sich in unsere Angelegenheiten einzumischen.
    »Da hat sie ganz recht. Wie die Kutsche aussieht, das ischt wahr und wahrhaftig eine Schande für einen Marquis!« sagte Mariette.
    »Was machst du denn hier, Mariette?« fragte mein Vater, indem er den Kopf umwandte.
    |42| »Ach, ich wart blosch, ob ich Euch nachfüllen soll, Möschjöh le Marquis. Weil, das Kompott von Caboche ist so gut, da wollt
     Ihr sicher noch mehr haben.«
    »Dann warte, Gevatterin, aber halt deinen Schnabel. Sprich weiter, Toinon.«
    »Die Vorhänge, Herr Marquis, die könnte Eure Margot übernehmen, wo sie ja eine geschickte Seidennäherin und Goldstickerin
     ist …«
    Hier hielt Toinon

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