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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Pierre.
Sie sind jetzt mein Lehrer
.« 1
    Diese zärtliche Erinnerung an die Anfänge unserer Liebe verschloß mir den Mund, in eine so starke Bewegung versetzte sie mich.
     Die wunderbare Existenz meiner Gräfin hatte mir das Deutsche, das sie mich monatelang gelehrt hatte, so kostbar gemacht, daß
     ich einen Satz in dieser Sprache nie hören konnte, ohne daß etwas in mir aussetzte und ich alles vergaß bis auf jene erste
     Stunde bei ihr.
    |301| »Nun?« fragte sie mit jener besonderen Scham, die uns ungewollt heißt, solche Momente abzukürzen, da wir einander doch am
     nächsten sind, »was hat Monsieur de Mesmes so Wunderbares gesagt?«
    »Sagte ich ›Wunderbares‹? Ich hätte besser ›Charakteri stisches ‹ sagen sollen. ›Messieurs‹, wandte sich Mesmes an den Geburtsadel, ›erkennt doch an, daß die drei Stände wie drei Brüder
     sind, Kinder ihrer gemeinsamen Mutter Frankreich. Die Geistlichkeit ist der älteste, der Geburtsadel der mittlere, der Dritte
     Stand der jüngste. Aus dieser Anerkenntnis hat der Dritte Stand die Herren des Geburtsadels stets als eine Stufe über ihm
     stehend geachtet‹. Hören Sie das, Liebste? ›Eine Stufe‹! Sie können sich vorstellen, wie gut dies ›eine Stufe‹ aufgenommen
     wurde! Aber das Stärkste kommt noch! ›Trotz dem ‹, fuhr Mesmes fort, ›hat der Geburtsadel den Dritten Stand als seinen Bruder anzuerkennen und darf ihn nicht derart verachten,
     daß er ihn für nichtig hält, denn er besteht aus etlichen bemerkenswerten Männern, die Ämter und Würden bekleiden, … und wie
     es oft in Privatfamilien vorkommt, wird das Haus durch die älteren Brüder erniedrigt, aber die jüngsten erheben es und führen
     es zum Ruhm.‹ Weiter, meine Liebste, kam Mesmes nicht. Es brach ein Geschrei los, das ihm das Wort abschnitt! ›Donnerschlag!‹
     brüllten die Adligen, ›Brüder! Wir wollen von Schuhmacher- und Strumpfwirkersöhnen nicht Brüder genannt werden! Ihre Brüder,
     Donnerschlag! Wo zwischen uns und ihnen ein genau so großer Abstand besteht wie zwischen Herr und Knecht!‹ Und verletzt, beleidigt,
     außer sich, liefen sie allesamt los – allesamt, sage ich, und das waren einhundertachtunddreißig! – und beklagten sich beim
     König über diese neue Unverfrorenheit.«
    »Gott im Himmel! Was für ein Tanz!« rief Frau von Lichtenberg und lachte Tränen. »Wie kleine Jungen, die sich streiten und
     von denen einer sich an Papas Wams ausweinen geht, nur, daß der Papa erst vierzehn ist! Und daß meistens doch der jüngste
     sich über den größeren Bruder beklagt, während es hier umgekehrt ist!«
    »Was für ein Glück, Liebste«, erwiderte ich lachend, »daß besagter ›größerer Bruder‹ Sie nicht hören kann! Er würde Sie dafür
     hassen, daß sie ihn so nennen.«
     
    |302| Als ich abends in unser Haus im Champ Fleuri kam, fand ich meinen Vater und La Surie, wie sie die Hände vors flammende Feuer
     streckten – denn es war wieder beißend kalt in Paris – und sich dabei ebenfalls ausschütteten vor Lachen. Diese Heiterkeit
     auch hier vergnügte mich, und so fragte ich nach dem Grund.
    »Wißt Ihr, mein Sohn«, sagte mein Vater, weiter lachend, »was ich nach dem Willen der Abgeordneten des Adels in die Beschwerdeliste,
     die zum Abschluß der Generalstände dem König überreicht werden soll, hineinschreiben sollte? Ihr werdet es nicht für möglich
     halten!«
    »Was denn?«
    »Es soll dem Dritten Stand, Männern, Frauen, Jünglingen und Fräuleins, verboten werden, die gleichen Kleider zu tragen wie
     Edelleute und Damen, damit man sie auf den ersten Blick unterscheiden kann.«
    »Und habt Ihr das hineingeschrieben, Herr Vater?« fragte ich, nun selber lachend.
    »Ohne mit der Wimper zu zucken!«
    »Man sollte mit diesen Leuten vom Dritten Stand ja noch ganz anders verfahren!« sagte La Surie, bei dem das Lachen auf Grund
     seiner Herkunft eine Spur rachsüchtiger klang als bei meinem Vater und mir. »Man sollte sie verurteilen, nur hanfene Wämser
     zu tragen, jeglicher Schmuck wird verboten, auch den Frauen, und überdies wird ihnen untersagt, in Karossen zu fahren und
     auch zu reiten, weil das Pferd an sich schon ein viel zu edles Wesen ist, um einen niederständigen Arsch zu tragen!«
    »Warum«, sagte mein Vater, »steckt man sie nicht überhaupt gleich in eine graue Uniform mit den Buchstaben D. S. auf dem Rücken?
     Das würde das gesellschaftliche Leben doch ungemein auflockern!«
    Wie man sieht, hegte mein Vater keine

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