Königskind
La Surie, »ich wüßte nicht, daß Ihr das bunte Treiben jemals aufgegeben hättet.«
»Ruhe, Miroul! Bemerkenswert an dem Fall Jacques Davy ist nämlich, daß sein Vater kalvinistischer Pastor war und ihn strenggläubig
erzogen hatte.«
»Da muß das Vaterherz ja geblutet haben!« sagte La Surie.
|305| »Und zwar viermal: als Jacques Davy die anmutigen erotischen Gedichte schrieb, die er seiner eigenen Erfahrung verdankte.
Als er zum Katholizismus übertrat. Als er Priester wurde. Und als Henri Quatre, an den Jacques Davy nach dem Tod Heinrichs
III. sein Glück gehängt hatte, ihn zum Bischof ernannte … Und mit der violetten Robe legte der neue Bischof sich auch einen
neuen Namen zu und nannte sich fortan Du Perron.«
»Wie pikant!« sagte ich. »Ein ketzerischer König, exkommuniziert obendrein, ernennt einen Bischof!«
»Als Franz I. der französischen Krone dieses Recht erwarb«, sagte La Surie, »konnte er schwerlich vorhersehen, daß einer seiner
Nachfolger Hugenotte sein würde … Und also schwor in der Basilika Saint-Denis ein Ketzerkönig vor einem ehemaligen Ketzer
ab.«
»War er denn berechtigt, Henris Schwur anzunehmen?«
»Keineswegs«, sagte mein Vater. »Die Exkommunikation war päpstlich gewesen, und nur der Papst konnte sie aufheben. Kein Wunder,
daß der Vatikan außer sich war, als Du Perron seine Rechte so dreist überschritt, und eine Zeitlang stand er in tiefer Ungnade.
Was Du Perron schwer betrübte.«
»Warum das?« fragte ich.
»Der französische König hatte ihn zum Bischof gemacht, aber zum Kardinal machen konnte ihn nur der Papst.«
»Du Perron war geschmeidig genug, wette ich.«
»Geschmeidig ist gar kein Ausdruck. Er ist überhaupt ein Mann von großen Talenten.«
»War er es, der den Papst schließlich bewogen hat, die Exkommunizierung unseres Henri aufzuheben?«
»Nein, nein. Das war der Abbé d’Ossat in Rom, und in begrenztem Maße ich. Aber Du Perron erntete die Früchte unserer Mühen,
als er an Stelle des Königs nach Rom kam und auf Knien vor Seiner Heiligkeit die symbolischen Schläge mit dem Hirtenstab empfing,
anstatt der blutigen Peitschenhiebe für weniger hochstehende Büßer. Aber das steht alles in meinen Memoiren.«
»Die ich, Herr Vater, leider nur in Auszügen zu lesen bekomme.«
»Da verpaßt Ihr was!« sagte La Surie. »Der Bericht unseres Romaufenthalts ist ausnehmend erbaulich. Um ein Haar wären |306| wir vergiftet worden, und fast hätten wir uns noch durch Törtchen ruiniert.« 1
Hierauf lachte er, und ohne zu fragen, was ihn so lustig mache, fuhr mein Vater fort: »Zurück zur Sache. Ich war dabei zu
schildern, wie Kardinal Du Perron mit glänzendem Gefolge die Kammer des Dritten Standes betrat, um diesen Gallikanern zu sagen,
was er von ihrem ersten Artikel halte, ›dem verderblichsten, den es je gab‹.«
»Und was sagte er diesen armen Abgeordneten des Dritten Standes, Herr Vater?«
»Nun! Es war lange her, daß das Heringsfaß nach Hering gestunken hatte. Vielmehr entströmte ihm der reinste Duft vatikanischer
Orthodoxie! ›Die Könige‹, sagte er laut und vernehmlich, ›haben den Staub zu Füßen der Kirche zu küssen und sich derselben
in Person des Papstes zu unterwerfen‹ … ›Das Verbot, ihr Leben anzutasten, wurde auf dem Konzil zu Konstanz verkündet. Aber
an dem Recht, sie abzusetzen, lassen wir nicht rütteln. Und Laien haben in diesen Fragen nicht zu richten.‹«
»Das war ja klar! Die Päpste behaupteten doch seit je, sie dürften Könige absetzen!«
»Und der Dritte Stand bestritt es steif und fest. Am selben Tag faßte das Parlament, das den Streit aufnahm, einen Erlaß,
der seine früheren Erlasse gegen die ultramontanen Doktrinen erneuerte. Auf diesen neuen Schlag reagierte der Klerus, indem
er den Königlichen Rat anrief, der die Affäre am dritten Februar in Anwesenheit von Condé beriet, der sofort einschritt.«
»Für welche Seite?«
»Für den Dritten Stand und das Parlament, deren Sympathien er sich sichern will für den Fall, daß er an die Macht kommt.«
»Schmeichelt er sich tatsächlich mit dieser Hoffnung?«
»Wer weiß? Zwischen dem Thron und ihm stehen nur zwei Personen: Ludwig und Monsieur … Wie dem auch sei, der Rat faßte einen
Erlaß, der dem Parlament und den Generalständen untersagt, den berühmten ersten Artikel zu diskutieren. Er behält sich dessen
Abfassung selbst vor.«
|307| »Das behagte dem Klerus sicher nicht, weil er sich ausgeschlossen
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