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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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inne, als sei sie selbst überrascht, daß sie Margots Lob sang, für die sie doch nur böse Worte übrig hatte,
     als sie noch bei uns war, weil sie fand, daß die Neue sie übertrumpft habe, indem sie sich im Handumdrehn einen Marquis angelte,
     während sie selbst mit einem Chevalier fürliebnahm.
    »Kurzum«, sagte sie, »Margot könnt Euch hübsche, neue Vorhänge nähen, aber aus Seide diesmal, nicht aus Kattun wie die alten,
     die ja schon lumpig aussehen.«
    »Aber Seidenvorhänge«, sagte La Surie, »passen doch nicht zu dem Kasten, wie er jetzt ist.«
    »Deswegen mein ich ja«, sagte Toinon, »die Kutsche müßte von oben bis unten frisch gestrichen und vergoldet werden. So sieht
     sie zu schäbig aus. Wenn am Schlag nicht Euer Wappen wär, Herr Marquis, möcht man meinen, es wär eine Mietdroschke …«
    »Ich verstehe nicht«, sagte mein Vater, »wieso diese Auffrischung so dringlich sein sollte.«
    »Oh, Herr Marquis!« rief Toinon, »sie ist dringlich! Und wie dringlich sogar! Denkt doch, welche Ereignisse bevorstehen!«
    »Was für Ereignisse?«
    »Die Salbung unseres kleinen Königs! Zu Reims! Am fünfzehnten dieses Monats! Ihr werdet doch sicherlich eingeladen.«
    »Und die Frau Herzogin«, sagte Mariette, »na, die wird doch nicht wieder, wenn sie Euch zu Reims in so einer armseligen Karosse
     vorfahren säh.«
    »Still, Mariette!« sagte mein Vater. »Ich wette, Toinon«, fuhr er fort, »du hast auch gleich einen Maler und Vergolder bei
     der Hand, den du mir empfehlen willst?«
    »Ganz recht, Herr Marquis!« sagte Toinon ohne die mindeste Scheu, »meinen Bruder Luc. Und einen besseren Gesellen als meinen
     Bruder Luc findet Ihr in ganz Paris nicht. Er hat nämlich bei Meister Tournier gearbeitet, und das will was heißen!«
    |43| »Er hat gearbeitet, also arbeitet er nicht mehr dort?«
    »Meister Tournier hat ihn entlassen.«
    »War ihm dein Bruder nicht gut genug?«
    »Mitnichten. Er war ihm zu gut.«
    »Das ist ein Spaß. Erzähle.«
    »Dazu müßt Ihr zuerst wissen, Herr Marquis, daß mein Bruder Luc schön ist, drüber geht es nicht.«
    »Wer wollte das bezweifeln bei seiner glänzenden Schwester?« sagte La Surie.
    Wer weiß warum, aber mir mißfiel dieses Kompliment.
    »Und Tourniers Frau, die in die Jahre kommt, hat sich in Luc vernarrt bis über beide Ohren, hat ihm die Hand gedrückt und
     gestreichelt und lief ihm nach durchs ganze Haus. Und er ist immer ausgewichen.«
    »Dabei«, sagte La Surie, »hat ein guter Pinsel noch keiner geschadet.«
    »Pfui, Miroul!« sagte mein Vater.
    »Kurz«, sagte Toinon, »er wies sie ab.«
    »Und das Weib hat ihn bei ihrem Mann angeschwärzt?« fragte La Surie.
    »Genau! Da war auf einmal er der Verführer.«
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sagte La Surie, »das Weib des Potiphar …«
    »Verzeihung, Herr Chevalier«, sagte Toinon, »aber er heißt Tournier.«
    Mein Vater nahm sein Kinn in die Hand und strich sich den Bart. Er trug ihn als Kranz um das Kinn, wie es Mode war, mit einer
     kleinen Fliege an der Unterlippe und dazu einen beidseitig gezwirbelten Schnurrbart. Obwohl er für seine Kleidung wenig ausgab,
     hatte er als einer der ersten den großen Stickereikragen angelegt, der den Hals freiließ, anstatt der Halskrause, die er aus
     zwei Gründen ablehnte: sie zwängte die Kehle ein, und sie kam aus Spanien. Im übrigen verwandte er größte Sorgfalt auf seine
     Person und war nahezu der einzige am Hof, der duftende Bäder nahm.
    »Aber, du weißt, Toinon«, sagte er schließlich, »ein Geselle, der auf eigene Rechnung arbeitet, ohne von seinesgleichen als
     Meister zugelassen zu sein, kann Ärger bekommen.«
    »Aber nicht, wenn er als Gärtnergehilfe bei Euch eingestellt |44| würde, Herr Marquis«, sagte Toinon. »Und wie ich höre, hat der arme Faujanet derzeit große Mühe, die Eimer aus Eurem Brunnen
     hochzuziehen.«
    »Also, das scheint mir ja das reinste Komplott!« sagte mein Vater, indem er sich umwandte und Mariette ins Auge faßte, die
     immer noch mit ihrer heißen Schüssel vor dem Bauch dastand. »Na, Mariette, du bleibst stumm?«
    »Möschjöh le Marquis«, sagte Mariette voller Würde, »wie werd ich den Schnabel aufmachen, wo Möschjöh le Marquis mir verboten
     hat, ihn aufzumachen.«
    »Und du, Toinon«, sagte mein Vater süßsauer, »bravo, bravissimo, daß du so tüchtig für deinen Bruder eintrittst! …«
    »Oh, es geht doch nicht bloß um meinen Bruder!« sagte Toinon mit Nachdruck, »sondern auch darum, daß Ihr unserem kleinen

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