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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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denn Fogacer
     liebte nur bartlose, unreife Knaben.
    So nahm ich dieses Essen mit Fogacer denn ohne jedes Unbehagen an, wenn auch ziemlich erstaunt, daß er mich in Bordeaux so
     unbedingt sprechen wollte, obwohl es in Paris genug Gelegenheiten dazu gab. Eine Zeitlang blieb ich über seine Absichten im
     Unklaren, denn der Mann, den ich früher so enthaltsam gekannt hatte, aß jetzt für drei und hatte nur Augen für Teller und
     Schüsseln.
    »Mein Freund«, sagte er, als er endlich gesättigt war, »seit dem Beginn dieses wundervollen Diners, dem Ihr so wenig zugesprochen
     habt, sehe ich in Euren Augen die Frage, was ich wohl von Euch will. Das ist aber ganz einfach. Mein Freund, ich wage es klipp
     und klar zu fragen: Wer ist Luynes, woher kommt er, was will er, und wo will er hinaus?«
    »Woher er kommt«, sagte ich, »das ist klar. Sein Vater war ein Kind der Liebe zwischen Maître Ségur, Domherr zu Marseille,
     und einer Zofe namens D’Albert. Er hieß nach seiner Mutter D’Albert, aber nannte sich auch De Luynes nach dem Fluß, an dem
     der unkeusche Domherr ein kleines Haus besaß, wo er sich sein Liebchen hielt. Luynes also, um ihn bei seinem selbstgewählten
     Namen zu nennen, war schön und tapfer. Er wurde Soldat, kam vorwärts im Leben und erhielt schließlich das Gouvernement von
     Pont-Saint-Esprit. Dann heiratete er ein adliges Fräulein und wurde durch die Mitgift Besitzer eines kleinen Hofes namens
     Brante und einer kleinen Insel in der Rhône namens Cadenet. Er bekam drei Söhne. Den ersten nannte er Luynes wie sich selbst:
     das ist unser Mann. Den zweiten nannte er Brantes und den dritten Cadenet. Ihr seht, die Leute unserer okzitanischen Provinzen
     haben Phantasie. Ein Fluß, ein Hof, ein Inselchen in der Rhône, und schon haben sie klangvolle Namen, und adlige obendrein.«
    |339| »Mein Freund«, sagte Fogacer, »das wissen wir.«
    »Aber, wißt Ihr auch, warum Luynes’ Vater sein Gouvernement von Pont-Saint-Esprit verlor?«
    »Nein.«
    »Dann will ich es Euch erzählen, ehrwürdiger Abbé. Die Gattin unseres Gouverneurs – eine geborene Adlige, wie gesagt – schickte
     eines Tages um Einkauf zu ihrem Schlächter, der sich aber sehr zu beklagen hatte, weil er nie bezahlt wurde, und so ließ er
     ihr nun ausrichten, er könne nur mehr mit dem einen Fleisch dienen, das er jedenfalls behalten wolle, ihr aber zur Benutzung
     anbiete …«
    »Das war ja ein ganz rüpeliger Scherz!« sagte Fogacer.
    »Und die Dame, von Adel, wie gesagt, fühlte sich schwer gekränkt. Ungesäumt lief sie zu dem Lümmel und durchbohrte ihn mitten
     in seiner Schlächterei mit vier oder fünf Dolchstichen.«
    »Gerechter Himmel!«
    »Ihr mögt dazu bemerken, mein ehrwürdiger Abbé, daß unser gegenwärtiger Luynes, so wackerer Eltern Sohn, es selbst nicht eben
     ist, denn er meidet jeden Streit, und wird er zum Duell gefordert, schickt er seine Brüder, Brantes oder Cadenet, sich an
     seiner Statt zu schlagen.«
    »Das ist uns bekannt.«
    »Ach!« sagte ich und hob die Brauen, »was wollt Ihr dann noch wissen? Die drei Brüder kamen in Stellung bei Monsieur de Lude,
     der gab sie Monsieur de la Varenne, der gab sie unserem seligen König, und der gab sie Ludwig, der den ältesten sehr liebt,
     weil er sein Vogelsteller ist und seine Falken wunderbar dressiert.«
    »Genau darüber«, sagte Fogacer mit einem kleinen Schillern in den Augen, »genau über diese große Freundschaft des Königs für
     Luynes möchten wir mehr erfahren.«
    Ich ließ ein kühles Schweigen eintreten und sagte, Fogacer ins Auge blickend, von oben herab: »Mein ehrwürdiger Abbé, ich
     plaudere nicht aus dem Louvre.«
    »Die Abfuhr habe ich erwartet«, sagte Fogacer lächelnd, »Eure unbedingte Ergebenheit für den kleinen König ist mir nicht neu.
     Bedenkt jedoch, mein Sohn, ob eine Antwort ihm in diesem Fall nicht dienlicher wäre als eine verweigerte Antwort.«
    |340| »Wieso?«
    »Wenn ich Euch, zum Beispiel, die Leute nennen würde, die diese Frage stellen, und die Gründe, weshalb sie sie stellen. Meint
     Ihr nicht, daß Euer Wissen demjenigen nützen könnte, dem Ihr dient?«
    »Sind es mächtige Leute?«
    »Außer der Königin gibt es in diesem Reich keine mächtigeren.«
    »Wie? Nicht einmal die Minister?«
    »Minister vergehen.«
    »Nicht mal die beiden Marquis von Ancre?«
    »Die sind auch nicht ewig.«
    »Erhöre Euch der Himmel!«
    »Laßt mich hinzufügen«, sagte Fogacer, »daß ich meine Quellen niemals preisgebe und

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