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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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daß auch Ihr in meinem Munde ein dem König
     nahestehender Edelmann sein werdet. Ich sehe Euch schwanken … Habt Ihr geglaubt, Ihr könntet, wenn ich Euch mitgeteilt habe,
     was ich weiß, mit dem, was Ihr wißt, hinterm Berge halten und so von Anfang an allen Vorteil für Euch einheimsen?«
    »Eben das überlegte ich mir im stillen«, sagte ich lächelnd. »Trotzdem, wenn ich Euch wahrheitsgetreu antworten kann, ohne
     dem König zu schaden, werde ich antworten.«
    »Was soll denn das?« rief Fogacer und spielte den Entrüsteten. »Heißt das, Ihr könntet mich auch belügen?«
    »Warum nicht?«
    »Mir scheint«, sagte Fogacer lachend, »Euer Vorteil über mich wird übermäßig. Schön also, ich gehe das Risiko ein. Sind wir
     uns einig?«
    »Gut, in den Grenzen, die wir uns gesteckt haben. Wer also, mein ehrwürdiger Abbé, sind diese Leute, und welche Frage bewegt
     sie?«
    »Sperrt Augen und Ohren auf, mein Sohn, und entbreitet Eure Flügel, so Ihr deren habt: Ihr werdet gleich aus den Wolken fallen.
     Es handelt sich um den päpstlichen Nuntius Bentivoglio, den spanischen Gesandten, Herzog von Monteleone 1 , und um Pater Cotton.«
    |341| »Der Papst, der spanische König und der Jesuitenorden!«
    »Wenigstens ihre Repräsentanten, die in Bordeaux konferiert haben. Ich war dabei – in sehr untergeordneter Stellung – , doch
     war ich vom Kardinal Du Perron entsandt.«
    »Und um was ging es?«
    »Ihr werdet es nicht glauben: sie sorgen sich um den königlichen Zapfen.«
    Ich war baff, machte große Augen und wußte nicht, sollte ich es glauben, sollte ich lachen.
    »Was soll die Alfanzerei?« rief ich endlich. »Mein Freund, Ihr scherzt!«
    »Durchaus nicht. Ihr erinnert Euch sicherlich, mein junger Freund, daß der kleine Dauphin unter dem Einfluß eines schamlosen
     Vaters, der seine Bastarde schon nicht mehr zählen konnte und sie in buntem Durcheinander mit seinen legitimen Kindern zu
     Saint-Germain-en-Laye aufzog, in einem äußerst losen Milieu lebte. Freie Reden, krude Gesten. Der kleine Dauphin zeigte jedem
     Beliebigen sein Schwänzchen, spielte öffentlich damit, hieß seine Nächsten es küssen, verglich es mit dem seines Vaters, schürzte
     seine kleinen Spielgefährtinnen auf, verliebte sich sogar mit sechs Jahren in eine Ehrenjungfer der Königin, der es furchtbar
     peinlich war, wenn er öffentlich ihre Brüste tätschelte.« 1
    »Ja, ich weiß«, sagte ich. »Das war Mademoiselle de Fonlebon, in die auch ich halb verliebt war.«
    »Schön. Dann wißt Ihr auch, mein Freund, daß diese heidnische Freizügigkeit, um nicht zu sagen Ausschweifung, mit dem Tod
     des Königs ein Ende nahm unter der vereinten Einwirkung der Königinmutter und des Paters Cotton. Wahrscheinlich fürchtete
     man, daß Ludwig zu sehr nach seinem Vater geriete, daß er sich zu früh in eine Hofdame vergaffen und, zu schnell mannbar geworden,
     seiner Mutter die Macht vorzeitig entreißen werde. Von nun an wurde der kleine König gescholten, ermahnt, katechisiert und
     von Pater Cotton stundenlang zur Beichte genötigt. Er mußte Fragen und Antworten auswendig lernen der Art: ›Wer sind unsere
     Feinde?‹ – Antwort: ›Die Welt, Satan und das Fleisch.‹ Mit dem Fleisch waren natürlich Weiberröcke gemeint.«
    |342| »Ehrwürdiger Abbé«, sagte ich lächelnd, »sagt doch ›die Frauen‹, falls dieses Wort Euch über die Zunge geht.«
    »Ich sage es, gut. Aber, was haltet Ihr, mein Sohn«, fuhr er vorsichtig fort, »von dieser Umerziehung des jungen Königs?«
    »Daß man zu seinem Unheil von einem Extrem ins andere gefallen ist und den ursprünglichen, unkeuschen Prinzen zu einem äußerst
     keuschen gemacht hat, der Angst hat vor Frauen.«
    »Könnte es nicht eher so gewesen sein«, warf der Chevalier de la Surie ein, »daß die Königin aus Rache für die Untreue des
     Vaters versucht hat, den Sohn zu entmannen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das möchte ich nicht behaupten von einem kleinen König, der sich in allem sonst so mannhaft zeigt,
     aber es ist nur zu wahr, daß Ludwig, sieht man von seiner kindlichen Liebe zu Madame einmal ab, dem schönen Geschlecht mit
     erheblicher Scheu begegnet. Und nur zu wahr ist auch, daß die Beziehung zu seiner Mutter ihm die Frauen nicht eben anziehend
     gemacht hat.«
    »Und genau deshalb, junger Freund, sind die genannten hohen Herrschaften beunruhigt, einschließlich des Paters Cotton, der
     an der beschriebenen Entwicklung ja nicht unbeteiligt war und sich jetzt fragt,

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