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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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›kleine Königin‹ genannt wird und Maria ›die Königin‹. Anna von Österreich
     ist von hier und heute an
die
Königin und Maria die Königinmutter. Aber diesen Titel für sich anzunehmen, sträubt sie sich ebensosehr wie Eure teure Patin,
     sich verwitwete Herzogin von Guise zu nennen.«
    Das war klug gedacht. Wenig später hatte ich Gelegenheit, Héroard unter vier Augen zu sehen und, weil die Sache mich so sehr
     beschäftigte, ihm die Frage nach dem springenden Punkt zu stellen. Er errötete und wandte den Kopf ab.
    »Er hat bekannt«, sagte er
sotto voce
, »er habe es zweimal gemacht …«
    »Und wie denkt Ihr darüber?«
    »Es war zu sehen. Der Penis war rot.«
    »Das beweist den Versuch, aber nicht den Erfolg.«
    Auf diese Bemerkung kam keine Antwort. Héroard warf mir |349| einen frostigen, mißbilligenden Blick zu und kehrte mir den Rücken.
    Demnach gab es zwei Wahrheiten: eine offizielle und die andere.
    Weder Ludwigs Aussehen noch seine Stimmung, noch seine Gesundheit besserten sich nach dem Akt, den man ihm zuschrieb. Er trauerte
     weiterhin um seine Schwester, hatte morgens nach wie vor keinen Appetit, klagte über Kopfweh und andere Übel, die ihn seit
     Madames Fortgang befallen hatten. Zweimal am Tag stattete er seiner königlichen Mutter einen protokollarischen Besuch ab und
     einmal am Tag seiner königlichen Gemahlin. Dazwischen jagte er, schoß, spielte Ball, bereitete Omelettes oder Konfitüren und
     ergab sich im übrigen knabenhaften Beschäftigungen, als sollte sein Erwachsenenleben niemals beginnen. Und aus dieser langen
     Zeit, in der nur sein Körper wuchs, blieb ihm an die Nacht des zweiundzwanzigsten Dezember – wie sicher auch der armen Anna
     von Österreich – eine unerquickliche, tief verletzende Erinnerung im Gedächtnis.
    Was immer der Hof denken mochte, es verschlug wenig, denn die Münder blieben geschlossen. Die Tatsachen aber lagen offen zutage
     und dementierten den ›wahrhaftigen‹ Bericht der Königinmutter: bis Ludwig das Lager der Königin wieder aufsuchte, vergingen
     vier Jahre.

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    |350| DREIZEHNTES KAPITEL
    Heiraten waren für Maria das A und O ihrer Politik. Als sie ihren Sohn mit der Infantin Anna und ihre Tochter mit dem Prinzen
     von Asturien vermählt hatte, schätzte sie sich so glücklich wie eine Florentiner Bürgersfrau, die ihren Kindern gute Partien
     verschafft hat.
    Darüber hinaus sah sie nichts, nicht einmal die Notwendigkeit, die beiden mächtigen Armeen, die sie zur Züchtigung der rebellierenden
     Großen aufgestellt hatte, auch endlich einzusetzen.
    Aus allen Kräften trieb die Favoritin Maria an, zu verhandeln, das heißt, die Fahne zu senken, wo sie die Stärkere war. Für
     Leonora, diesen seit fünfzehn Jahren an Frankreichs Leib klammernden Blutegel, war nichts natürlicher, als die Treue der Großen
     aufs neue mit Geldern aus einem Schatz zu erkaufen, von dem sie selbst ungescheut einsackte.
    Sie brauchte die Königin nicht groß zu drängen. Trägheit und schwache Urteilskraft trieben Maria weiter auf dem Hang des Leichtsinns.
     Es kam ihr nicht einmal in den Sinn, daß sie durch die wiederholte Belohnung der Rebellen mit gewaltigen Summen deren Revolte
     zum Dauerzustand machte.
    Als Maria in Poitiers von der Rose befallen wurde und ihr Körper schwoll und mit Blasen bedeckt war, hatte die Concini sie
     Tag und Nacht mit einem vom Doktor Montalto hergestellten Balsam bestrichen und sie dank ihrer geduldigen Pflege geheilt.
     Und weil ihre Zunge hierbei ebenso geschickt lief wie ihre Hände, hatte sie sich den Willen der Königin erneut gewonnen und
     untertan gemacht.
    Meine schöne Leserin wird sich erinnern, daß die Königin und ihre Ehrendame bei der Abreise von Paris zerstritten waren, weil
     der Marschall von Ancre sich für die Verschiebung der spanischen Hochzeiten ausgesprochen hatte. Damit hatte er an das Allerheiligste
     gerührt, und diesmal war seine Unverfrorenheit bestraft worden: die Königin hatte ihn nach |351| Amiens verbannt, der guten Stadt, deren Gouverneur er war und die ihn haßte. Die Concini nun, die Ihre Majestät um jeden Preis
     nach der Guyenne hatte begleiten wollen, war von ihr unterwegs barsch abgekanzelt worden, was die Concini bald mit niedergeschlagenen,
     bald mit gen Himmel gerichteten Augen und unterwürfigen Seufzern geschluckt hatte.
    Die Zeiten waren vorüber. Die Rose hatte alles verändert. In Tours, wo man sich auf der Rückreise nach Paris drei lange Monate
     verweilte (zu

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