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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Loudun dachte, er, der nach einem Streit
     zwischen Condé und der Königinmutter bedauert hatte, seinen Degen nicht bei sich zu haben, den er Condé ›sonst durch den Leib
     gerannt hätte.‹
    Während jenes überlangen Aufenthaltes zu Tours äußerte Ludwig Überlegungen, die mir seine Ansicht der Sache zu erhellen schienen.
     Doch bevor ich hierin fortfahre, will ich versuchen, meiner schönen Leserin die Sorge um meinen kleinen König zu nehmen, in
     die sie gemeinsam mit mir geraten war, als er so traurig, so trübsinnig und kränkelnd über Madames Fortgehen war. Es ging
     ihm besser in Tours, er hatte wieder Farbe und Appetit, sei es, daß der erste Schmerz sich an seinem Übermaß selbst erschöpft
     hatte, sei es, daß er eine Ablenkung von seiner Trauer in den Besuchen fand, die er derzeit fast täglich in Amboise oder in
     Plessis-les-Tours machte.
    Das Gouvernement Amboise hatte Monsieur de Luynes von der Königin auf Concinis Rat hin erhalten, denn angesichts der Liebe
     des Königs zu seinem Jagdmeister hatte er gedacht, ihn sich durch diese prächtige Gabe zu verpflichten. Mit der Karosse fuhr
     man zweieinhalb Stunden von Tours nach Amboise, und sowie wir an jenem Tag (dem fünften April, um genau zu sein) vor dem Schloß
     anlangten, sprang Ludwig aus dem haltenden Wagen, ehe man überhaupt den Tritt aufklappen konnte, und rannte in vollem Lauf
     – seine Edelleute, darunter auch ich, hasteten ihm schnaufend hinterher – durch das Schloß hinauf, öffnete, ohne anzuklopfen,
     die Tür eines ihm wohlbekannten Zimmers und flog Monsieur de Luynes in die Arme. Es lag nicht die mindeste Zweideutigkeit
     in diesem stürmischen Gefühl: die anwesenden Edelleute empfanden es genau wie ich. Es war reine Liebe, unverstellt, knabenhaft,
     und vor allem wurde sie auf das schönste erwidert. Denn auch Luynes war diesem Knaben innig zugetan, und es wäre grundfalsch,
     in ihm, wie es später geschah, einen gemeinen Ehrgeizling zu |354| sehen. Gewiß war Monsieur de Luynes ein ganz unbedeutender Mensch, den die Geschichte staunend späterhin an einem sehr hohen
     Platz erblicken sollte. Er hatte weder Mut noch Voraussicht, er war einfach nur ein geschickter Vogelsteller. Gleichwohl war
     er liebenswert.
    Ein schöner Mann, aber, offen gesagt, eher hübsch als schön, mit anmutiger Redeweise, höflichen Manieren, ohne den geringsten
     Hochmut, aber auch ohne den mindesten Biß, anschmiegsam, aber nicht aufdringlich, von bescheidenem, empfindsamem, dienstbarem
     und gutem Naturell und begabt mit jener Sanftmut und Geduld, mit der man Vögel dressiert oder sich die Zuneigung seines Herrn
     gewinnt.
    Als Luynes starb, sagte Ludwig in seiner üblichen Kargheit: »Ich habe ihn geliebt, weil er mich geliebt hat.« Und er täuschte
     sich über Luynes’ Gefühle für ihn nicht, darin darf man ihm unbedingt glauben, denn Ludwig war von klein auf ein guter Beobachter,
     der die Menschen um sich klar beurteilte, mißtrauisch und scharfsichtig, mit einer guten Nase und feinem Gehör für schmeichlerische,
     unwahre oder hinterlistige Reden, die er mit einem treffenden Wort abschmettern konnte.
    So auch eines Tages in Plessis-les-Tours, wo er zu Pferde auf Hasenjagd war. Als er Monsieur du Fay fragte, wie spät es sei,
     antwortete dieser, es sei erst ein Uhr, worauf Ludwig den Höfling stirnrunzelnd zurechtwies. »Ein Uhr, das sagt Ihr, um mein
     Vergnügen nicht zu unterbrechen. Aber es ist mehr als eine halbe Stunde drüber, also muß ich fort: ich muß um zwei Uhr im
     Rat sein.«
    Plessis-les-Tours ist nur eine halbe Stunde mit der Kutsche von Tours entfernt, so daß Ludwig, wenn er wollte, zweimal am
     Tag hinfahren konnte, denn in Plessis begeisterte ihn alles: der Park, das Wildrevier und das Schloß, dieser letzte Aufenthalt
     Ludwigs XI. auf Erden, klein, ländlich, behaglich, so daß es diesem Knaben dort nur gefallen konnte, der, hätte es ihm freigestanden,
     am liebsten fern der Paläste ein karges Soldatenleben geführt hätte, weil sein Vater für ihn das Musterbild aller Tugenden
     blieb.
    Ich erinnere mich eines heißen Disputs mit La Surie, der behauptete, Luynes habe unseren Henri als Vorbild bei seinem Sohn
     abgelöst, was ich ganz und gar bestritt, denn ich meinte, das Bild dieses großen Königs würde für immer in Ludwigs |355| Herz und Gedächtnis unübertroffen sein. Ich rief den Marquis de Siorac zum Schiedsrichter, und er gab mir Recht in diesem
     Streit und setzte die denkwürdigen Worte

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