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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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näherzukommen, sich in zärtlichere Gefühle hätte verwandeln können.
    Die Königin aber hatte nur eines im Sinn: die ganze Welt davon zu überzeugen, daß die Ehe wahr und wahrhaftig vollzogen sei.
    Die arme Anna von Österreich war am einundzwanzigsten November eingetroffen. Fünf Tage später wurde die Vermählung zu Burgos
     durch eine Messe in der Kirche Saint-André bekräftigt. Und nach der wie immer endlosen, erschöpfenden Zeremonie, als der König
     sich müde zu Bett gelegt hatte, wurde ihm von seiten seiner Mutter mitgeteilt, daß er an diesem Abend seine Ehe zu vollziehen
     habe.
    Er stand auf, rührte das Abendessen kaum an, und bleich vor Scham und Angst wartete er. Ich weiß nicht, wer auf den Einfall
     kam, ihm Monsieur de Guise und Monsieur de Gramont zu schicken, die ihm zum Mutmachen saftige Geschichtchen erzählten, die
     ihn jedoch, bei der äußersten Schamhaftigkeit, |347| die man ihm seit dem Tod seines Vaters eingetrichtert hatte, noch tiefer in Furcht und Abscheu treiben mußten.
    Über diese königliche Hochzeitsnacht nun ließ die Königinmutter mit einer den Großkämmerer empörenden Dreistigkeit das folgende
     Communiqué verfassen und veröffentlichen:
     
    Sowie der König zu Abend gespeist hatte, legte er sich nieder in seinem Gemach, wo seine königliche Mutter (die bis dahin
     in der Kammer der kleinen Königin gewesen war) ihn gegen acht Uhr abends aufsuchte und, nachdem sie die Garden und alle Höflinge
     hinausgeschickt hatte, an das Bett des Königs trat und zu ihm sprach: »Mein Sohn, getraut zu sein ist noch nicht alles, Ihr
     müßt jetzt die Königin besuchen.«
    »Ich erwartete nur Euren Befehl«, sagte der König. »Ich gehe, wenn es Euch beliebt, mit Euch zu ihr hin.«
    Sogleich kleidete man ihn in sein Hausgewand und seine gefütterten Schuhe, und also ging er mit der Königin in das Gemach
     der kleinen Königin, woselbst auch die Herren de Souvré, Héroard, der Oberkämmerer Marquis de Rambouillet (mit dem Degen des
     Königs), und Berlinghen, der Erste Kammerdiener (mit dem Leuchter), eintraten.
    Indem die Königin vor das Bett trat, sprach sie zu der kleinen Königin: »Meine Tochter, hier führe ich Euch Euren Gemahl zu.
     Nehmt ihn bei Euch auf und liebet ihn recht, das ist meine Bitte.«
    Die kleine Königin antwortete auf spanisch, sie habe keinen anderen Vorsatz, als ihm zu gefallen und dem einen wie dem anderen
     nachzukommen.
    Der König begab sich von der Seite der Kammertür in das Bett, denn die Königin befand sich in der Bettgasse und sagte den
     beiden, welche sie beieinander liegen sah, etwas so Leises, daß kein anderer es verstehen konnte. Dann verließ sie die Bettgasse
     und sprach: »Auf denn! Gehen wir alle hier hinaus!«
    Und befahl den beiden Ammen, jener des Königs und jener der Königin, allein nur in besagtem Gemach zu verbleiben und sie eineinhalb
     Stunden beisammen zu lassen, oder höchstens zwei.
    So zog sich besagte Königin zurück und all jene, welche mit ihr in besagtem Gemach waren, auf daß besagte Ehe vollzogen werde,
was der König tat und zu zwei Malen
, wie er selbst |348| bekannte, und auch besagte Ammen berichteten es wahrhaftig, und hernach, als er ein wenig geschlafen und ein wenig länger
     geblieben war wegen besagten Schlummers, erwachte er von selbst und rief seine Amme, damit sie ihm seine Schuhe und sein Gewand
     gebe und sie ihn aus dem Gemach führe, wo im Saal besagte Herren ihn erwarteten: Souvré, Héroard, Berlinghen und andere, um
     ihn in sein Gemach zu geleiten. Und nachdem er zu trinken verlangt und getrunken und hierbei große Zufriedenheit über den
     Vollzug seiner Ehe bekundet hatte, legte er sich in sein gewöhnliches Bett und ruhte die ganze übrige Nacht sehr gut, da es
     zur Stunde einhalb zwölf Uhr war. Die kleine Königin, die sich ihrerseits erhob, nachdem der König von ihr gegangen war, kehrte
     zurück in ihre kleine Kammer und legte sich in ihr gewöhnliches kleines Bett, welches sie von Spanien mitgebracht hatte. Und
     genau dies hat sich beim Vollzug besagter Ehe begeben.
     
    »Wie ausgebufft!« sagte La Surie, nachdem ich ihm den Bericht vorgelesen hatte. »Wäre all das, wie behauptet wird, geschehen,
     wäre die Veröffentlichung unnötig gewesen … Wirklich«, setzte er nach einer Weile hinzu, »ich würde um ein Vermögen wetten,
     daß Maria dieses Dokument selbst diktiert hat.«
    »Was bringt Euch auf den Gedanken?«
    »Daß Anna von Österreich in diesem Bericht die

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