Königskind
glücklicher Fehlgriff von mir, denn um mich zu überzeugen, erzählte mir Madame de Guise über die Affäre mehr,
als ihre höfische Diskretion erlaubte.
»Bei Eurer Stellung im Louvre werdet Ihr ja wissen«, fuhr sie fort, »daß die Großen die Willkommensfeste, die sie zur Stunde
dem englischen Gesandten Mylord Hayes geben, benutzen, um sich abends im Hôtel Condé zu versammeln und, sowie der Mylord zu
Bett gegangen ist, ein Komplott gegen Concini zu schmieden.«
»Davon hörte ich, Madame.«
»Der Herzog von Guise war dort, oder war dabei, wie Ihr wollt, und gestern abend hörte er aus Condés Mund eine völlig verblüffende
Erklärung. ›Unser Vorhaben‹, sagte Condé, ›muß schnellstens ausgeführt werden, aber man muß auch an die Folgen denken, denn
die Königin wird so tödlich gekränkt sein über Concinis Tod, daß sie sich an uns rächen wird. Dagegen sehe ich nur eine Abhilfe:
sie und den König zu trennen.‹«
»Bei Gott!« sagte ich, »das geht weit! Denn um Maria vom |380| König zu trennen, müßte man sie wohl erst einmal entführen! Und was antworteten die Prinzen darauf?«
»Sie sahen sich an und schwiegen.«
»Alle?«
»Alle, bis auf meinen Sohn!« sagte Madame de Guise nicht ohne mütterlichen Stolz.
»Und was sagte er?«
»Daß es ein großer Unterschied sei, ob man sich gegen den Marschall von Ancre wehrt, einen Mann aus dem Nichts, Frankreichs
Haß und Schande, oder den Respekt verliert, den man der Königin schuldet, und sich gegen ihre Person vergeht. ›Natürlich‹,
setzte er hinzu, ›hasse ich den Marschall, aber ich bin der sehr untertänige Diener Ihrer Majestät.‹ Also, was sagt Ihr dazu,
mein Pierre? Ist das nicht großartig?«
»Das war in der Tat eine kohärente Rede.«
»Kohärent?« fragte sie, alle Federn geplustert und mit gesteiltem Kamm. »Was ist denn das wieder für ein komisches Wort?«
»Aus dem Lateinischen: das schlüssig Zusammenhängende.«
»Zum Teufel mit Eurem Latein, Herr Allwissend! Ist das alles, was Ihr zu der aufrechten Haltung des Herzogs von Guise zu sagen
wißt? Seid Ihr womöglich eifersüchtig auf Euren Bruder, daß Ihr ihn nicht mal richtig loben könnt? Was soll das überhaupt
heißen, bitteschön?«
»Madame, das Wort besagt, daß der Herzog von Guise zu Ihrer Majestät in derselben Treue steht, die er seit sechs Jahren bewiesen
hat. Ich könnte ihm kein höheres Lob aussprechen. Noch eine härtere Kritik an Condé, indem ich sein Verhalten als das Gegenteil
von kohärent bezeichne. Er ist Oberhaupt des Königlichen Rates und federführend, er ist de facto Mitregent des Reiches, aber
er zettelt ein Komplott gegen die Macht an, von der er selbst ein Teil ist. Und darf ich fragen, Madame, was der Herzog von
Guise tat, als er diese Reden Condés hörte?«
»Was sollte er sonst tun, als sie sofort der Königin mitzuteilen.«
Damit war er nicht der einzige. Der Erzbischof von Bourges, der auch an dem Komplott gegen Concini beteiligt war, unterrichtete
seinerseits Maria, aber zu abgesprochenen Zeiten und bei Nacht, um nicht gesehen zu werden, wenn er ihre Gemächer |381| im Louvre betrat. Später erfuhr ich durch einen Schreiber von Barbin, Déagéant mit Namen (der in dieser Geschichte noch eine
bedeutsame Rolle spielen wird), daß Condé, der ewig Unentschiedene, zwischen zwei Plänen für die Zeit nach Concinis Beseitigung
schwankte: Einmal wollte er, nachdem die Königinmutter entführt wäre, sich den Sinn des Königs gefügig machen, damit er tue,
was er, Condé, will, und so als König regieren, ohne den Titel zu tragen. Ein andermal wollte er, sobald die Königin in ein
Kloster abgeschoben wäre, die Ehe von Henri Quatre und Maria von Medici für ungültig erklären lassen auf Grund des Eheversprechens,
das Henri Quatre vor dieser Verbindung der Marquise de Verneuil unterzeichnet hatte. Dann wäre Ludwig nur mehr ein Bastard,
und Condé würde ihn absetzen und an seiner Statt regieren.
Als ich meinen Vater über diese Pläne unterrichtete, fragte er, was ich von dem ersten hielte.
»Niemals wird Condé sich Ludwigs Sinn unterwerfen«, sagte ich. »Das ist Utopie. Ludwig haßt ihn. Mindestens ebenso wie Concini.
Und was haltet Ihr, Herr Vater, von dem zweiten?«
»Seine Dummheit geht über jedes Begreifen. Das der Verneuil ausgestellte Eheversprechen wurde dem König von der Betroffenen
zurückgegeben, als sie nach einem Komplott gegen ihn gefangensaß, und der König hat es
Weitere Kostenlose Bücher