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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aber mit verstellter Schrift,
     knapp und diskret.«
    »Inwiefern diskret, Monsieur Déagéant?«
    »Indem Ihr die Leute nur durch den Endbuchstaben des Namens bezeichnet. Wenn Ihr B. für Barbin setzt, ist die Sache klar,
     aber nicht, wenn Ihr für Barbin N. schreibt, für Lud wig G. und für Condé E. Habt Ihr Euren Bericht verfaßt, bittet Ihr Ludwig
     am folgenden Tag um Erlaubnis, in seinem Bücherkabinett ein Wörterbuch einzusehen, wie Ihr es nach seinen Worten zuweilen
     macht, und schiebt Euren Bericht bitte in die erste Seite des Kapitels dreizehn der
Essais
von Montaigne. Ludwig wird ihn, sobald er kann, lesen und verbrennen.«
    »Warum Kapitel dreizehn, Monsieur Déagéant?«
    »Als Gedächtnishilfe, Herr Chevalier. Dreizehn wie Ludwig XIII..«
    |387| All das war geheimnisvoll wie im Roman, und ich war jung genug, um bezaubert zu sein.
    »Fangen wir heute gleich an, Monsieur Déagéant?«
    Der Mann war gewieft, und da er meinen Eifer sah, wollte er mich zunächst mit härteren Realitäten vertraut machen.
    »Es wird Euch nicht entgehen, Herr Chevalier, daß Ihr immer ein wenig mit dem Kopf auf dem Richtblock lebt, wenn Ihr diesen
     Weg einschlagt.«
    »Ihr doch auch, Monsieur Déagéant.«
    »Ich bin nicht adlig, bei mir wäre es eher der Strick«, entgegnete Déagéant lächelnd.
    Als ich dieses feine Lächeln sah, begriff ich, daß man – anders, als unsere Edelleute glaubten – auch tapfer sein konnte ohne
     Prahlerei und ohne den Degen zu ziehen.
    »Gut denn, fangen wir an!« sagte ich und erwiderte sein Lächeln in dem Gefühl, daß zwischen ihm und mir eine herzliche Komplizenschaft
     enstand.
    »Vorgestern«, begann Déagéant, »wurde Barbin von Prinz Condé ersucht, ihn in Saint-Martin zu treffen. Und Barbin nahm mich
     mit, weil er darauf hält, immer einen Zeugen zu haben, wenn er mit dem Prinzen spricht.«
    »Warum, Monsieur Déagéant?«
    »Damit das Gespräch notfalls bekräftigt werden kann, der Prinz ist so verlogen.«
    Und das sagte Déagéant, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.
    »Wir betrafen ihn«, fuhr er fort, »in äußerster Wirrsal und nahezu in Tränen. Er empfing Barbin, wie sich ein verirrtes Kind
     im Wald an den Vater klammert, mit dessen Hilfe es seinen Weg wiederzufinden hofft. ›Monsieur‹, sagte er mit zitternder Stimme,
     ›ich bin an einen Punkt gelangt, wo mir nichts anderes übrigbleibt, als dem König den Thron zu nehmen und an seinen Platz
     zu treten.‹«
    »Monsieur Déagéant«, sagte ich, »wollt Ihr diesen erstaunlichen Satz bitte wiederholen? Ich will sicher sein, ihn gehört zu
     haben.«
    »›Ich bin an einen Punkt gelangt, wo mir nichts anderes übrigbleibt, als dem König den Thron zu nehmen und an seinen Platz
     zu treten.«
    »Und das sagte er Barbin, dem Intendanten, Vertrauten und |388| Rat der Königinmutter! Die jedes Interesse daran hat, daß der König bleibt, wo er ist, weil sie in seinem Namen regiert! Ist
     das nicht Wahnwitz? Zumal eine solche Erklärung schon an sich ein Majestätsverbrechen ist.«
    »Immerhin, Herr Chevalier, korrigierte sich der Prinz, kaum daß er dies ausgesprochen hatte, und sagte: ›Und doch scheint
     mir, ich ginge damit zu weit.‹ – ›Aber‹, sagte Barbin, ›warum solltet Ihr es dann tun?‹ – ›Weil die Großen«, sagte Condé,
     ›mir keine Ruhe lassen und sagen, wenn ich es nicht tue, verlassen sie mich. Und wenn sie mich verlassen, Monsieur Barbin,
     wird die Königinmutter mich verachten.‹«
    »Wie diese Angst vor Verachtung Condé doch beherrscht!« sagte ich. »Bis an sein Lebensende wird er zweifeln, ob er der Sohn
     seines Vaters ist.«
    »Eben das spürte Barbin, und mit größtem Respekt erwiderte er sogleich: ›Monseigneur, Eure Geburt enthebt Euch jeder Verachtung,
     und die Königin wird immer bestrebt sein, Eure Macht zu erhöhen, anstatt sie zu vermindern.‹ Nachdem er Condé so das Fell
     gestreichelt hatte, fuhr Barbin fort: ›Im übrigen ist die Partei des Königs nicht so schwach, wie Ihr glaubt. Allein der Begriff
     König hat große Macht, und alle, die Ihr auf Seiten der Prinzenpartei wähnt, sind es nur halbherzig … Ich meine damit, daß
     eine Unternehmung gegen die königliche Autorität nur ein Strohfeuer wäre.‹«
    »Oh«, sagte ich, »das war äußerst geschickt.«
    »Monsieur Barbin ist ja auch ein sehr geistvoller Mann«, sagte Déagéant lebhaft. »Das Unglück ist nur, daß er sich aus Ehrgeiz
     Concini verschrieben hat. Doch wie dem auch

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