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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Einfluß hatte, daß er dessen Entschlüsse binnen zehn Minuten ins Gegenteil verkehren
     konnte.
    Hätte Condé nur eine Unze Verstand in seinem wirren Kopf gehabt, in dem alle möglichen Pläne einander abwechselten, hätte
     er sich voll und ganz glücklich geschätzt. Er hatte den Vorsitz im Königlichen Rat, unterzeichnete dessen Dekrete, teilte
     sich mit der Königinmutter die höchste Autorität, und beachtete man ein Zeichen, das selten trügt, hatte er sogar deren besseren
     Teil: anstatt sich an den Louvre zu wenden, belagerten die Bittsteller nun seine Tür, um seinen Sekretären Eingaben, Gesuche
     und Bittschriften zu übergeben, die Condé nach seinem Gutdünken befriedigte oder auch nicht.
    Nicht daß Condé sich unbedingt über die Rolle erheben wollte, die er bereits innehatte, aber die Großen drängten ihn, noch
     weiterzugehen, weil sie selbst einen größeren Platz im Staat einnehmen und einen größeren Anteil an den Finanzen haben wollten.
     Und weil sie das Haupthindernis ihrer glühenden Begierde in Concini erblickten, gegen dessen Person und Erhöhung sie großen
     Haß hegten, wollten sie den Florentiner festnehmen, ihn einsperren, ihn sogar, wenn nötig, umbringen. Condé, von Bouillon
     bedroht, die Seinen würden ihn verlassen, wenn er nicht gemeinsame Sache mit ihnen mache, entschied |376| sich also, einen Weg zu beschreiten, auf dem er persönlich nichts gewinnen konnte, zumal Concini ihn bekanntlich immer gestützt
     und geschont hatte.
    Auf den Galerien und Treppen des Louvre quellen die Neuigkeiten gewissermaßen aus den Mauern, aber es gibt auch so viele falsche,
     daß ich lieber keine glaubte. Und obwohl ich von diesen Umtrieben der Prinzen munkeln gehört hatte, erhielt ich verläßliche
     Kenntnis darüber erst bei einem Souper unter vier Augen mit meiner lieben Patin, der Herzogin von Guise.
    Monsieur de Réchignevoisin, ihr schmerbäuchiger Majordomus, bezeigte mir hohe Achtung, seit ich mein Kammerherrenamt bekleidete.
     Er empfing mich auf geradezu liebreiche Weise und führte mich durch das Labyrinth des Hôtel de Guise, während der Zwerg, den
     er liebte, nebenher trippelte und mich von unten mit bösen schwarzen Augen anstarrte, als wollte er mich vergiften.
    Ich fand nur die Prinzessin Conti bei Tisch, die mir unter tausend Liebenswürdigkeiten erklärte, sie sei nur da, um mir das
     Warten zu versüßen, ihre Mutter sei noch mit ihrer Toilette beschäftigt. Ich fand sie ganz aufgeblüht, ihr Anblick mußte einem
     jeden den Atem benehmen, der nicht schwul war. Geradezu, wie ich war, sagte ich ihr, mit welchem Entzücken ich meine Augen
     an ihrer wunderbaren Schönheit weidete.
    »Fein, kleiner Cousin!« sagte sie mit einem betörenden, kehligen Lachen. »Das nenne ich mir geziemende Rede, und es verdient
     Belohnung! Ich erlaube Euch, meine Fingerspitzen zu lecken und mir einen Kuß zu geben. Aber nicht ins Gesicht, Ihr würdet
     meine Schminke verderben.«
    »Wohin dann, Madame?«
    »Auf den Hals.«
    »Auf den Hals, Madame!« sagte ich nicht ohne Schwung und wirbelte um sie herum, denn weil ich sogar an ihrem Hals auf Schminke
     traf, hob ich ihre rabenschwarzen Haare und küßte ihren Nacken. Ich muß gestehen, es war mir eine Lust.
    »Oho, kleiner Cousin!« sagte sie, indem sie den Oberkörper elegant nach hinten beugte, um mich auf Armeslänge von sich zu
     entfernen. »Keusch seid Ihr nicht! Heilige Jungfrau, wer hat Euch das gelehrt? Ich wette, eine, die keine Heilige und keine
     Jungfrau war.«
    |377| »Madame«, sagte ich, »ich habe nur der Inspiration des Augenblicks gehorcht.«
    »Inspiration! Ihr seid mir einer! Mich schauert’s ja noch! Wißt Ihr nicht, daß wahre Frauen einen sehr empfindsamen Nacken
     haben? Ihr habt wohl vergessen, daß wir eines Blutes sind? Ah, ich weiß! Ich weiß! Ihr werdet wieder sagen, weil Ihr mein
     Halbbruder seid, sei es nur halber Inzest!«
    »Leider, Madame! Leider war es nicht einmal ein Fünfzigstel!«
    »Und Ihr habt die Stirn, das zu bedauern! Monsieur, Ihr seid ja ein Lüstling!«
    »Wer ist ein Lüstling?« fragte die Herzogin von Guise, indem sie hereintrat.
    »Ich, Madame«, sagte ich und fegte den türkischen Teppich mit den Federn meines Hutes, wobei ich allerdings acht hatte, sie
     nicht zu knicken, denn sie hatten mich einiges gekostet.
    »Um was geht der Streit?« fragte Madame de Guise und umfing uns beide mit liebevollem Blick.
    »Um einen Kuß, der angeblich zu lange und zu innig war, und den ich ihr

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