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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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vorschriftsgemäß auf den Hals gab.«
    »Der Nacken ist nicht der Hals«, sagte die Prinzessin.
    »Aber der Nacken ist ein Teil vom Hals.«
    »Schöne Rechtfertigung!«
    »Hört Ihr nun auf!« sagte Madame de Guise, indem sie ihre Augen gen Himmel hob, weniger um ihn zum Zeugen unserer Kindereien
     anzurufen, als um ihre schönen blauen Augen zur Geltung zu bringen. »Tochter, Ihr seid mir eine Erzkokette! Schäkert mit dem
     eigenen Bruder. Dürstet Euch so sehr nach männlichen Komplimenten?«
    »Diesen Durst, Frau Mama, habe ich von Euch geerbt«, sagte die Prinzessin, während sie aufstand und in einer so tiefen wie
     anmutigen Reverenz niederfiel.
    Dann umarmten sich beide Frauen, so eng es ihre Reifröcke zuließen, eine streifte die Wange der anderen mit den Lippen, um
     einander ja die Schminke nicht zu verderben.
    »Ach, ich muß fort!« sagte die Prinzessin Conti nach einem erschrockenen Blick auf ihre Uhr. »Bleibt mir vom Leibe, Elender!«
     rief sie, indem sie mir mit Augen und Lippen ein strahlendes Lächeln sandte. »Ich werde Euch nie vergeben!«
    |378| Mit drei Schritten ihrer langen Beine war sie an der Tür und verschwand.
    »Beim Himmel!« sagte ich, als die Tür hinter ihr zufiel. »Wohin läuft sie so rasch?«
    »Ist Euch das nicht klar?«
    »Heiratet sie ihren Liebhaber, jetzt, da sie Witwe ist?«
    »Wo denkt Ihr hin, Pierre? Meine Tochter, und ihrem Prinzessinnentitel entsagen! Um Comtesse de Bassompierre zu werden! So
     großartig, wie sie sich gerne gibt!«
    »Aber die Sünde, Madame? Sie ist doch sehr gläubig.«
    »Gott sei Dank hat die Sünde noch nie was verhindert«, sagte Madame de Guise und lachte, als schaute sie zurück auf ihr eigenes
     Leben.
    Wir speisten, es war vorzüglich wie immer in ihrem Haus. Madame de Guise aber stand zu ihrem Teller bald in Haß, bald in Liebe.
     War sie den Lüsten und Wonnen des Gaumens zugetan, aß sie zuviel und zu gut. Litt dann ihr Magen, oder fürchtete sie, zu sehr
     zuzunehmen, fastete sie wie ein Mönch in der Karwoche. An diesem Abend hielt sie es mit der Enthaltsamkeit, rührte kaum etwas
     an und trank noch weniger. Dafür redete sie um so mehr.
    Zuerst mußte ich mir eine Predigt über meine Weigerung anhören, mich zu verheiraten, obwohl es am Hof keine edle Jungfer gab,
     die es sich nicht zur Ehre anrechnen würde, wenn ich sie wollte, da mein Vater Ritter vom Heiligen-Geist-Orden war, ich selbst
     Erster Kammerherr, da ich durch meine Großmutter, eine geborene Caumont, einer alten périgordinischen Familie entstammte und
     durch meine Mutter … »Ist es etwa nichts«, schloß sie auftrumpfend, »Bourbonenblut in den Adern zu haben?«
    »Es ist nicht nichts«, sagte ich, indem ich mich verneigte. »Und noch mehr ist es, eine Mutter zu haben wie Euch.« Während
     dieser Worte stand ich vom Tisch auf, kniete vor ihr nieder und küßte ihr die Hand.
    »Bildet Euch bloß nicht ein, daß Ihr mich damit besänftigt«, sagte sie, halb besänftigt. »Wenn Ihr wenigstens der Liebhaber
     einer hohen Dame wäret, die Euch durch Geburt, Ruf und Schönheit Ehre macht, anstatt Euch im Koben niederer Liebeleien zu
     sielen.«
    Meine schöne Leserin erinnert sich vermutlich, daß Madame |379| de Guise meine Kammerzofen – sie glaubte ja, daß ich sie noch hätte – für ›Küchenschmuddel‹ hielt und daß sie von den ihren
     behauptete, sie hätten ›die Kühe gehütet‹, und das namentlich von der rundum properen Perrette.
    Ich nahm meinen Platz wieder ein und lauschte ihr mit der gerührten Liebe, die ich für sie empfand, denn manchmal kam ich
     mir ihr gegenüber vor, als wäre ich der ältere. Trotzdem wünschte ich im stillen, sie hätte das Thema bald erschöpft. Zum
     Glück war sie schneller fertig, als erwartet. Flugs machte ich mir die kleine Pause, die sie einlegte, zunutze, um sie auf
     anderes abzulenken, und fragte, wie es ihrem Ältesten gehe. Nun nahm das Gespräch eine hochinteressante Wendung, und ich sperrte
     meine Ohren auf, die ich bis dahin nur halb geöffnet hatte. Denn anstatt den Herzog wie gewöhnlich zu verdammen, sang sie
     sein Lob.
    »Oh, doch!« sagte sie, »der Herzog hat mir endlich allen Grund zur Zufriedenheit gegeben! Er hat sich seines Ranges und Blutes
     würdig erwiesen. All meine Liebesmüh war doch nicht umsonst, und mein Rat hat Früchte getragen!«
    Ich konnte nicht umhin, große Augen zu machen, als sie so ganz ohne die üblichen Vorwürfe gegen ihren Ältesten anhob, und
     dies war ein

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