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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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verbrannt. Wer will beweisen, daß es
     dieses Versprechen jemals gegeben hat und daß es die nachfolgende Eheschließung ungültig macht? Außerdem, glaubt Ihr, der
     Papst würde die Ehe der Maria von Medici annulieren, da sie ihm von allen Herrschern der Christenheit zweifellos am meisten
     ergeben ist?«
    »Könnte Condé Eures Erachtens trotzdem gefährlich werden, Herr Vater?«
    »Ich weiß nicht. Er ist ein unglücklicher Mensch, klein, mickrig, kränklich, mit dieser sonderbaren Nase, die nichts gemein
     hat mit einer Bourbonennase (hier warf mein Vater einen ganz kurzen, lächelnden Blick auf die meine). Schwul und sehr abhängig
     von seinen Geliebten, weiß er nicht, zu welchem Geschlecht er gehört. Und vor allem lebt er in unwiderleglichen Zweifeln über
     sein eigen Blut: Ist er wirklich der Sohn des Prinzen Condé oder aber des Pagen, der mit seiner Mutter schlief und den Prinzen
     auf ihren Befehl hin vergiftete? Diese |382| Zweifel höhlen ihn aus, immer fürchtet er, verachtet zu werden, das macht ihn zu einem ewig aufgedrehten, aufgeregten, hin
     und her schießenden Störenfried. Er dreht sich in alle Winde. Er schätzt viel, aber handelt wenig, kühn in Worten, eine Memme
     vor der Tat. Er hat Biß, aber keine Nerven. Kaum hat er zum Sprung angesetzt, erschrickt er, ängstigt sich und flennt. Er
     sagt hunderterlei, und alles widerspricht sich. Trotzdem …«
    »Trotzdem, Herr Vater?«
    »Auch ein Wirrkopf so geringen Kalibers kann viel Unheil anrichten, wenn er Leute um sich hat, die seine Schwächen nutzen.«

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    |383| VIERZEHNTES KAPITEL
    Ich nenne den Favoriten in diesen Memoiren unterschiedslos bei drei Namen: Concini, Marschall von Ancre und auch Conchine.
     Seinerzeit aber waren diese verschiedenen Bezeichnungen keineswegs neutral und bedeutungslos. Für die Königinmutter war er
     selbstverständlich Concini, für die Höflinge der Marschall von Ancre, wenigstens öffentlich. Seine Speichellecker titulierten
     ihn ›Exzellenz‹, was seinem Amt allerdings auch zustand. Der König hätte ihn mit ›mein Cousin‹ anreden müssen. Er tat es nie,
     schweigend verwarf er die ungerechtfertigte Ehre, die seine Mutter diesem Lumpen erwies. Wenn er nicht anders konnte, als
     ihn eindeutig zu nennen, französisierte er den Namen und sagte Conchine. Das Volk, das den Florentiner wütend haßte, belegte
     ihn sowohl aus Haß wie aus Vorsicht mit einem ganzen Arsenal von Schimpfnamen:
il coglione
1 war noch der mildeste.
    Wenn Madame de Guise die Gattin des großen Mannes ansprach, sagte sie ›Frau Marschallin‹, wenn sie in vertrautem Kreis von
     ihr sprach, ›Signora Concini‹. Zu Hause und mir gegenüber ›die Galigai‹ und manchmal, so wie ich, die Conchine. Bei uns im
     Champ Fleuri hieß sie nur die Spinne, weil sie abgeschieden in den Räumen über der Königin wohnte und ›sich abends zu ihr
     hinunterließ, um sie in ihre Spinnweben einzuwickeln‹. Und damit Mariette, die ihre Ohren überall hatte, nicht durch den Kontext
     oder durch die Kraft des treffenden Bildes dahinterkomme, wen wir meinten, benutzten wir auch mal das lateinische Wort
aranea
oder das griechische
arachnee
.
    Um die Augustmitte – den Tag weiß ich nicht genau – erschien ich um neun Uhr in den Gemächern des Königs und war erstaunt,
     daß er, der sonst so früh aufstand, noch zu Bett lag und schlief. Monsieur de Souvré erklärte mir leise, Ludwig |384| habe am Vorabend nicht einschlafen können wegen der drückenden Hitze, so sei er aufgestanden, habe sich im Hausgewand in sein
     Studierzimmer begeben und bis Mitternacht gesungen.
    Am Ende dieses Berichts erwachte Ludwig, sah uns an, während er sich aufsetzte, und verkündete uns allen Ernstes, der Feind
     habe verräterisch Schloß Chambord überfallen, doch er habe ihn, Gott sei Dank, durch einen Großangriff unverzüglich in die
     Flucht geschlagen, den er uns bis ins einzelne beschrieb und ohne jedes Stottern, wobei er Ausdrücke benutzte, die ich nicht
     kannte, von denen der Marschall de Souvré aber sagte, daß sie einen nach allen Regeln gelieferten Sturmangriff bezeichneten.
    Nach dieser Erzählung betete Ludwig, lehnte das Frühstück ab (was mich beunruhigt hätte, wäre mir sein Gesicht nicht so fröhlich
     erschienen, wie von seinem kriegerischen Traum durchglüht), und bevor er die Königinmutter besuchen ging, sollte ich ihn in
     seine Waffenkammer begleiten, er wolle mir eine Hakenbüchse zeigen, sagte er, die der Herzog von

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