Königskind
Feuer und Flammen speit. Ihm Amiens wegzunehmen, das war in seinen Augen fast
eine Majestätsbeleidigung!«
»Und Sillery?« fragte ich.
»Bei Sillery, dessen Sturz ja schon vollendete Tatsache ist, liegt der Groll schon einige Monate zurück, bevor der Hof die
Reise in die Provinz Guyenne antrat. Concini wollte die spanischen Hochzeiten verschieben, Sillery wollte es nicht und war
sich darin mit der Königinmutter einig. Er siegte. Concini wurde nach Amiens verbannt, wie Ihr wißt. Und obwohl es die Königin
war, die sein Exil verfügte, ohne daß Sillery die Finger im Spiel hatte, zauste Concini dem
Graubart
den Bart.«
»Fehlt bloß noch, daß er die Königin stürzt«, sagte La Surie.
Wir lachten, aber nur mit halber Kraft, so verschlug uns diese wachsende Macht Concinis die Laune.
»Und wer sollen die neuen Minister sein?« fragte ich.
»Barbin, Mangot, vielleicht Luçon.«
»Und wer ist dieser Luçon?« fragte La Surie.
»Weißt du das nicht? Richelieu, der Bischof von Luçon. Barbin hat ihn Concini vorgestellt, und um sich die Gunst des Favoriten
zu gewinnen, hat Richelieu ihm die Hände geleckt.«
»Steht Luçon so niedrig?«
»Durchaus nicht. Er steht sogar weit oben. Aber er will an die Macht. Schon auf den Generalständen hat er gefordert, Geistliche
in den Königlichen Rat aufzunehmen, weil sie, wie er meinte, dazu ›die Fähigkeit, die Redlichkeit und die Klugheit‹ hätten.«
»An wen er dabei wohl gedacht hat?« fragte La Surie mit Unschuldsmiene.
In dem Moment trat hinter ihrem gewaltigen Busen Mariette in die Bibliothek und meldete, es sei aufgetragen. Und als sie uns
über den Witz La Suries lachen sah, setzte sie hinzu: »Das |374| ist mal was! Schallendes Gelächter, das schärft Euch die Sinne! Ihr werdet mit Heischhunger essen, Meschjöh, und mein Caboche
kann zufrieden sein!«
Wir setzten uns, und Mariette tat einem nach dem anderen ein tüchtiges Stück duftenden Braten auf, wobei sie jedesmal auf
uns einredete, gleich noch ein zweites zu nehmen, und zwar mit einem Wortschwall, daß wir fast taub wurden.
»Mariette!« sagte mein Vater, »eines weiß ich sicher: wenn dir mal das Mundwerk versiegen sollte, kommen wir trocken durch
die Seine … Geh, meine Schöne, geh zu deinem Caboche und komm erst, wenn ich dich rufe.«
Sowie Mariette hinaus war, weniger geknickt über die Abfuhr als geschmeichelt, daß der Marquis de Siorac sie ›meine Schöne‹
genannt hatte, fuhr La Surie fort: »Wer sind diese
homi novi
, die uns als Minister bevorstehen?«
»Homines novi«
1 , sagte mein Vater.
»Homines novi«,
wiederholte La Surie leicht errötend, weil er sich etwas zugute hielt auf sein Latein, das er sich selbst beigebracht hatte.
»Junge Leute noch, gewandt, nicht ohne Verstand. Besonders Barbin und Luçon. Luçon ist ein sehr geistvoller Mann und ist erst
dreißig.«
»Herr Vater«, sagte ich, »woher habt Ihr das, daß Luçon vor Conchine gekatzbuckelt haben soll?«
»Von Villeroy. Luçon soll dem Favoriten einen ziemlich servilen Brief geschrieben und ihm seine Dienste angeboten haben.«
»Das ärgert mich. Ich habe seine Predigten so bewundert!«
»Papperlapapp, mein Sohn! Luçon ist Politiker. Und kein Politiker scheut einen Kniefall, um aufzusteigen.«
»Zumal Kniefälle den Pfaffen geläufig sind«, sagte La Surie.
»Miroul«, sagte mein Vater, »das stinkt nach Hering! Aber das Bedenkliche an diesem Ministerwechsel ist ja nicht, daß die
homines novi
nicht so gut wären wie die
Graubärte.
Im Gegenteil! Sondern daß alle Welt sie mit Recht für Concinis Kreaturen ansehen wird.«
»Dann ist er der Herr!« sagte La Surie.
»Abwarten! Noch sind die Würfel nicht gefallen. Wie ich |375| hörte, kehrt Condé demnächst mit aller Macht und Glorie an den Hof zurück. Dann steht er dem Königlichen Rat vor und führt
die Feder.«
»Was heißt das?« fragte La Surie.
»Er wird die Dekrete des Rates unterzeichnen.«
»Wie? An Stelle der Königinmutter?«
»Ja doch! Sie hat es selbst genehmigt, so blind ist sie!«
* * *
Einige Tage danach, am zwanzigsten Juli, hielt Prinz Condé bei strahlender Sonne Einzug in Paris. Er wurde vom Volk mit Begeisterung
empfangen, vom Parlament mit verhaltener Freude und von der Königinmutter mit allen Anzeichen der Zufriedenheit.
Nach ihm kehrten fast alle Prinzen zurück an den Hof, darunter leider auch der Herzog von Bouillon, der teuflischste Intrigant
des Reiches, der auf Condé einen solchen
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