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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sei, Condé war durch seine Worte völlig bekehrt, für den Moment wenigstens. Lauthals
     erklärte er, daß er seinem Souverän ja gehorsam bliebe, wenn die Königinmutter den Herzog von Bouillon vom Hof verjagen würde,
     der ihm in den Ohren liege und ihm den Sinn verwirre, weil er eine Macht über ihn habe, gegen die er wehrlos sei.«
    »Ist das wahr?«
    »Und ob es wahr ist! Kein Ehemann hat auf seine Frau jemals einen stärkeren Einfluß gehabt. Und das sage ich ohne jede Doppeldeutigkeit,
     Condé ist nun mal, was er ist … Aber, um mit Eurer Erlaubnis fortzufahren, Herr Chevalier. Mit dem halben Versprechen, den
     Herzog von Bouillon zu entfernen, |389| verläßt Barbin den Prinzen, der sich nach Hause begibt. Dort erwartet ihn eben besagter Bouillon, und als der ihn wenig entschlossen
     sieht, sich gegen den König zu wenden, drängt er ihn, mit Concini zu brechen, weil er hofft, dadurch werde Condé genötigt
     sein, mit der Königinmutter die Klingen zu kreuzen und folglich auch mit dem König.«
    »Und widerstand ihm Condé nicht?«
    »So wenig wie vorher Barbin. Unverzüglich schickt er den Erzbischof von Bourges zu Concini und läßt ihm sagen, daß er nicht
     mehr sein Freund ist.«
    »Das ist ja eine Kriegserklärung!« rief ich. »Und was für eine verrückte! Wenn Condé nicht imstande ist, Concini umzubringen,
     warum erschreckt er ihn dann und schafft sich einen Todfeind? Und wenn er ihn beseitigen kann, wozu warnt er ihn? Schlägt
     die Katze Alarm, eh sie die Maus fängt?«
    »Ihr habt ganz recht, Herr Chevalier!« sagte Déagéant. »Aber ich fahre fort. Der Zufall wollte es, daß Barbin bei Concini
     war, als der Erzbischof von Bourges kam. Und wenn Barbin über die neue Wendung des Prinzen schon fassungslos war, so konnte
     Concini, der ja mehr durch Grausamkeit glänzt als durch Mut, die Verzweiflung und den Schrecken nicht verhehlen, die ihn befielen.
     Verstört führte er Barbin zu seiner Frau, die ebenso erschrak, Paris augenblicklich verlassen und sich nach Caen flüchten
     wollte, diese Stadt gehört ihnen neuerdings, wie Ihr wißt. Aber sie konnte nicht fort, sie war zu krank und brach zweimal
     zusammen, als sie die Sänfte besteigen wollte. Concini brach nachts allein auf und erreichte Caen mit verhängten Zügeln. Um
     Eure Metapher aufzugreifen, Herr Chevalier, die Maus war gewarnt, daß ihr Krallen drohten, sie floh in ihr Loch. Und ein Loch,
     aus dem man sie schwerlich herausbringen wird: Concini hat Truppen und viel, viel Geld, um neue auszuheben.«
    Nachdem Déagéant gegangen war, hielt ich seinen Bericht schriftlich fest, und als ich am nächsten Morgen, einen Knopf meines
     Wamses ungeknöpft, die Gemächer des Königs betrat, bat ich ihn, Berlinghen den Schlüssel zum Bücherkabinett zu überlassen,
     damit er es mir öffne, was Ludwig ohne weiteres tat. Nun hatte ich aber beobachtet, daß Blainville in der Nähe war, also hütete
     ich mich, an Ort und Stelle sogleich die
Essais
von Montaigne zu suchen, sondern nahm mir von einem |390| benachbarten Bord das
Enchiridion militis christiani
von Erasmus, setzte mich und vertiefte mich in diese erhabene Lektüre. Wie gut ich daran getan hatte! Ich hatte mich keine
     fünf Minuten festgelesen, als die Tür aufging, Blainville seine lange Nase hereinsteckte und das Bücherkabinett betrat. Ich
     blickte von meinem Erasmus auf.
    »Suchtet Ihr mich, Monsieur de Blainville?« fragte ich.
    »Nein, Herr Chevalier«, sagte er mit großer Verneigung. »Ich kam nur zufällig vorbei und sah die Tür offen (was sie gar nicht
     war), so erlaubte ich mir, einzutreten, weil ich den Fuß noch nie in das Bücherkabinett Seiner Majestät gesetzt habe.«
    Während er sprach, rückte er mir fast bei jedem Wort näher, damit er, denke ich, einen Blick auf das Buch in meinen Händen
     werfen konnte.
    »Aber«, sagte ich, »man braucht Seine Majestät nur um die Erlaubnis zu bitten, das Kabinett zu besuchen! Der König hätte sie
     Euch nicht abgeschlagen.«
    »Verdammt«, sagte Blainville, als er in Blickweite war, »das ist ja Latein, was Ihr lest!«
    »Nur das
Enchiridion militis christiani,
zum Glück hat Erasmus es auf lateinisch geschrieben, denn Holländisch kann ich nicht.«
    »Ach«, sagte Blainville, der in einem Jesuitenkolleg erzogen und alles andere als ungebildet war, »das ist also das berühmte
Handbuch des christlichen Soldaten

    »Für mein Gefühl«, sagte ich, »sollte man den Titel besser übersetzen:
Handbuch des Soldaten

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