Königskind
der Medizinschule zu Montpellier! Leider konnte sie sich nicht
durchsetzen gegen die von Leonardo Botalli und anderer italienischer Ärzte vom Hofe.«
|401| »Uns so hat man auch Ludwig zur Ader gelassen?«
»Ja, vor zwei Tagen, auf ausdrücklichen Befehl der Königinmutter. Der Aderlaß wurde von ihrem Chirurgen, Monsieur Ménard,
vorgenommen. Er zog dem König sechs Unzen Blut ab, das laut Héroard ›schäumend und hochrot‹ war.«
»Und die Königinmutter hat es nicht wiederholen lassen?«
»Sie hat es nicht gewagt, weil Héroard dagegen war und der König vorher einen Abführtrank zurückgewiesen hatte, den ihre Ärzte
ihm angeboten hatten.«
»Mein Gott!« rief Frau von Lichtenberg. »Mißtraut er seiner Mutter so sehr?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht wollte er ihr auch nur verständlich machen, daß er allein von Héroard behandelt werden will.«
»Aber, seine Ablehnung dieses Tranks gab doch sicher Anlaß zu allerhand Klatsch?«
»Genau, Liebste, zumal Maria einen Schritt unternahm, der den Hof angesichts von Ludwigs schwerer Erkrankung in Empörung versetzte:
Sie ließ sich vom Parlament für den Fall des Ablebens ihres Sohnes die Regentschaft bestätigen.«
Wenn man die trügerische Genesung einrechnet, die einer neuerlichen heftigen Krise am einunddreißigsten Oktober voranging,
zog sich die Krankheit des Königs über einen Monat hin, vom zweiten Oktober 1616 bis zum zehnten November. In der ganzen Zeit
besuchte die Königinmutter ihren Sohn nur einmal, am Tag der Krise. Wie ich erfuhr, war sie an jenem Tag aber weniger wegen
eines fatalen Ausgangs besorgt, sondern vielmehr erschrocken vor den Folgen, die ein solcher Ausgang für sie haben könnte.
Denn daß Ludwigs Nachfolge von seinem jüngeren Bruder Gaston angetreten würde, stand außer Zweifel, völlig unklar war jedoch,
wer Maria in der Macht ablösen würde, denn die Herzöge und Pairs hatten den Hof fast alle verlassen, einige befanden sich
sogar im offenen Kampf gegen sie. Und das Parlament, das im Jahr 1610 seine Rechte weit überschritten hatte, als es Maria
von Medici an die Spitze der Regentschaft stellte, hatte keine Lust – da Condé gefangensaß und die meisten Prinzen sich feindselig
verhielten –, abermals eine solche Entscheidung auf sein Haupt zu laden.
|402| Meine schöne Leserin wird sicherlich enttäuscht sein, daß die kleine Anna von Österreich ihren Gemahl in seiner langen Krankheit
kein einziges Mal besuchte. Aber offen gestanden, weiß ich nicht, ob sie nicht den Wunsch danach geäußert und man es ihr vielleicht
verboten hat.
Von den vier Ersten Kammerherren war Concini der einzige, der sich nicht einmal nach dem Ergehen des Königs erkundigte. Dafür
erschien er, als Seine Majestät genesen war, aber das in einer so schamlosen und unverfrorenen Weise, die jede Vorstellung
übersteigt.
Die Szene, die stumm, aber desto verletzender für Ludwig war, spielte sich am zwölften November ab, am dritten Tag der Genesung
des Königs. Er war um Mitternacht aufgewacht, und nachdem er seine ›Geschäfte‹ verrichtet hatte, wie der schamhafte Héroard
sagt, erbat er sich eine Schale Brühe und trank sie gierig aus, was Héroard in der Hoffnung bestätigte, daß sein Kranker sich
nun rappele. Dennoch ließ Ludwig das Frühstück aus, aber nicht das Mittagessen, das er um elf Uhr einnahm und wieder mit gutem
Appetit. Als er damit fertig war, wurde ihm der Besuch von Monsieur de Mataret gemeldet, dem Gouverneur von Stadt und Schloß
Foix. Ludwig empfing ihn mit einiger Wärme, denn obwohl die Grafschaft Foix 1607 der französischen Krone eingegliedert wurde,
erinnerte ihn allein der Name Foix an Navarra und an seinen Vater. Monsieur de Mataret wiederum war sehr bewegt, vom Sohn
›unseres Henri‹, wie man ihn im Béarn immer noch nannte, so freundlich empfangen zu werden, und er war es noch mehr, als Ludwig,
um sich die Beine zu vertreten, ihn mit auf die Große Galerie hinauszog, deren Fenster nach der Seine gingen. Außer Monsieur
de Mataret waren nur zwei Personen beim König: der Gardeoffizier und ich, dem Ludwig das Zeichen gemacht hatte, ihm zu folgen.
Ludwig schritt weit aus in der Großen Galerie und hielt, der bequemen Unterhaltung wegen, an einer Fensterbrüstung inne. Während
er aufmerksam der Rede von Monsieur de Mataret lauschte, dessen Akzent ihn an den seines Vaters erinnerte, folgte er mit den
Augen den Frachtkähnen auf der Seine, deren
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