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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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gemacht. Und wenn sie sich sträuben, setzt er sie ab. Herr Chevalier«, erklärte Déagéant, »dieser Kommentar
     gehört aber nicht zu meiner Botschaft. Bitte, erwähnt ihn nicht in Eurem Bericht.«
    »Könnte er dem König nicht nützlich sein?«
    »Ich glaube nicht. Der König weiß mehr, als man denkt, und Luynes zufolge begreift er sehr wohl, wie gefährlich die Situation
     ist.«
    Ich weiß nicht, weshalb diese scheinbar so kühle Antwort mir ein gewisses Bangen verursachte, und ich fragte: »Unter uns,
     Monsieur Déagéant, meint Ihr, es besteht in den nächsten Monaten für Ludwig Gefahr?«
    Déagéant, beide Hände auf den Knien und den Blick gesenkt, |397| blieb stumm, und ich dachte schon, er wolle mir nicht antworten, als er mir plötzlich in die Augen sah und sagte: »Große.«
    Die Antwort machte mich fassungslos, und als mir die Stimme wiederkehrte, war sie so dumpf, daß sie mir selber fremd klang.
    »Große!« sagte ich. »Meint Ihr, für seine Freiheit? Seine Krone? Sein Leben?«
    Déagéant nickte, und mit höchster Erregung drang ich in ihn: »Darf ich fragen, worauf Eure Befürchtungen sich gründen?«
    »In erster Linie auf Concinis Charakter. Ihr erinnert Euch gewiß der großen Angst, mit der er Condés ›Er sei nicht mehr sein
     Freund‹, entgegennahm. Diesen Schrecken sah ich mit eigenen Augen. Ich war ja dabei, mit Barbin. Damals sagte Concini fast
     weinerlich, mit hängenden Lippen, sollte er eines Tages an den Hof zurückkehren, würde er sich nie, niemals mehr in die Regierung
     einmischen und sich künftig darauf beschränken, sein Glück zu sichern, denn er war sich durchaus klar, daß er sich durch seine
     große Macht im Staat den Haß aller Welt zugezogen hatte.«
    »Wenigstens war er da einsichtig!«
    »Damit war es aber aus und vorbei, sowie Condés Gefangennahme ihn wieder in den Sattel setzte. Er fragte Barbin, ob ihm noch
     Gefahr drohe, wenn er sich der politischen Geschäfte wieder annähme, und Barbin antwortete: ›Ex zellenz , ich sehe keinen Grund, der Euch daran hindern könnte.‹«
    »Und wieso, zum Teufel, gab Barbin eine solche Antwort?«
    »Weil Concini seines Erachtens ohnehin entschlossen war, seinen Einfluß im Staat wieder auszuüben und sogar noch auszubauen,
     auch wenn Barbin ihm abgeraten hätte.«
    »Und was schließt Ihr daraus, Monsieur Dégéant?« fragte ich nach kurzer Weile.
    »Zum ersten, daß Barbin entschlossen ist, in seiner Geschmeidigkeit und Unterwerfung ziemlich weit zu gehen, um Minister zu
     bleiben. Und zweitens – und das ist in meinen Augen das Wichtigere –, daß Concini zu allem entschlossen ist. Anders gesagt,
     um sich für den panischen Schrecken zu rächen, in dem er Paris verlassen hat, will er jetzt an die Macht. |398| Und sosehr er damals gezittert hat, so rücksichtslos, tyrannisch, ja grausam wird er sein, wenn ihm das gelingt.«
    »Meint Ihr, er könnte sich an Ludwig vergreifen?« fragte ich endlich mit gedämpfter Stimme, so als empfände ich es als ruchlos,
     allein diese Frage zu stellen.
    »Noch nicht«, sagte Déagéant. »Sowohl um seine Position zu festigen wie um sich an Condé und den Großen zu rächen, wird er
     sich zunächst an sie halten. Er wird nichts unversucht lassen, sie zu bezwingen und zu vernichten. Und dazu hat er entschlossene
     Minister eingestellt, die ihm ergeben sind.«
    * * *
    Mein Vater war in allem mein Vertrauter. Und wenn ich sage, ›mein Vater‹, schließe ich La Surie ein, denn wenn er auch nicht
     immer mit derselben Stimme sprach wie mein Vater, sprach er doch aus demselben Herzen. Doch so zuverlässig ich ihre Verschwiegenheit
     kannte, konnte ich mich lange nicht entscheiden, ob ich meiner Pfalzgräfin gegenüber meine Missionen erwähnen sollte, eben
     weil sie Pfälzerin war und es sich um Geheimnisse der französischen Krone handelte. Lange blieb ich darüber vor ihr stumm
     wie ein Karpfen, und dennoch mußte ich feststellen, daß sie vieles – aber nicht von mir – über unsere Staatsangelegenheiten
     wußte. Und so fragte ich sie eines Tages, woher sie es hätte. »Vom venezianischen Gesandten«, sagte sie. »Er ist ein alter
     Freund meines Vaters, und wenn er mich besucht, spricht er gerne über französiche Fragen, einfach, weil ihre Kenntnis sein
     Beruf ist, und auch, weil sie ihm als großem Freund dieses Landes sehr am Herzen liegen.«
    Dies erfuhr ich von ihr bei einem Geplauder hinter den Musselinvorhängen, und ich war baff, aber auch ganz beschämt, daß

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