Königskind
verschiedenfarbige Segel der Wind schwellte: ein Schauspiel, das zugleich durch
seine Lebendigkeit erfreute und durch seine Stille beruhigte, und ich spürte, wie vergnüglich es einem |403| Rekonvaleszenten sein mußte, der sich das Leben wiedergewann.
Diese Ruhe wurde jedoch durch den jungen Berlinghen unterbrochen, der Seiner Majestät melden kam, der Marschall von Ancre
habe soeben einen Edelmann in die Gemächer des Königs geschickt, um fragen zu lassen, wo er sich befinde. Man habe geantwortet,
er promeniere mit Monsieur de Mataret und Monsieur de Siorac in der Großen Galerie. Diese Ankündigung machte auf den König
geringen Eindruck. Sicher dachte er, daß Concini durch diesen späten Besuch sein unhöfliches Verhalten während seiner Krankheit
auswetzen wolle.
Berlinghen stob davon wie ein junger Hund, der sich nützlich gemacht hat, und Monsieur de Mataret nahm seine Rede wieder auf,
die sich um das Schloß Foix drehte, das er mangels Geldern nicht instand setzen könne. Zum Unglück konnte er diesen Punkt
nicht weiterentwickeln, der ihm sehr am Herzen lag und dessentwegen er wohl nach Paris gekommen war. Am Ende der Galerie erscholl
großer Lärm, und ein Haufen Edelleute zeigte sich, barhäuptig um eine Person in ihrer Mitte geschart, von der man nur den
Hut sah, die aber gleichwohl gut erkennbar war an den Straußen- und Pfauenfedern, die ihn zierten und über die der ganze Hof
geklatscht hatte, weil eine jede zweihundert Ecus kostete.
Angesichts dieser großen und äußerst lauten Menge blieb Monsieur de Mataret der Mund offenstehen, und Ludwig, der sich vom
Fenster und von den Kähnen auf der Seine abwandte, betrachtete kalten Auges jenen prächtigen Kopfschmuck, der in seiner Macht
und Glorie sich inmitten eines Gewimmels gebeugter Rücken und bloßer Köpfe näherte. Die Begegnung war sehr ungleich, denn
Seine Majestät hatte keinen anderen Hof um sich als einen Gardeoffizier – sein ganzer Waffenschutz derzeit –, Monsieur de
Mataret und mich.
Schon in dieser Art, sich Seiner Majestät innerhalb des Louvre mit so starkem Gefolge zu präsentieren, lag Herausforderung
und Unverfrorenheit. Kein Prinz von Geblüt hätte das jemals gewagt. Zumindest durfte man nun erwarten, daß der Federhut, der
den Schwarm der Schmeichler überragte, sich auf den König zubewegte und von dem Kopf, der ihn trug, vor seinem Souverän gezogen
werden würde. Dem war aber nicht so. Concini begab sich in eine benachbarte Fensternische, |404| und man hörte ihn in seinem italienisch versetzten Französisch laut und herrisch inmitten seiner speichelleckenden Höflingstraube
radebrechen. Seine Rede war feurig, und obwohl sein Gesicht in der Menge der Anbeter verborgen blieb, sahen wir den prächtigen
Federbusch sich ungestüm neigen und wieder emporrichten. Sein lebhaftes Farbenspiel bedeutete einem jeden, daß der König nicht
existierte, da man ihn gar nicht gesehen hatte.
Monsieur de Mataret, der frisch eingetroffen war aus seiner fernen Provinz und bestimmt nicht wußte, welches skandalöse Ausmaß
die Dinge am Hof erreicht hatten, verharrte fassungslos, stumm und schamrot. Ludwig verabschiedete ihn höflich, und als der
ehrenwerte Mann gegangen war, schlug er, gefolgt nur von dem Gardeoffizier und mir, den Weg nach den Tuilerien ein, und ohne
ein Wort, ohne einen Blick nach rechts oder links spazierte er eine gute Stunde umher, die Hände auf dem Rücken verschränkt,
das Antlitz bleich, die Zähne zusammengebissen.
* * *
Das Gefühl für seinen Rang war bei Ludwig so stark und so tief, daß ich überzeugt bin, er hat die Beleidigung, die ihm an
jenem Tage geschah, nie verziehen. Trotzdem verlor er im Moment darüber kein Wort, und wenn jemand von dem Vorfall erfuhr
– namentlich Héroard und Monsieur de Souvré –, so durch den Gardeoffizier, denn ich erzählte ihn keiner Menschenseele.
Am übernächsten Tag brach Ludwig zur weiteren Genesung nach Saint-Germain-en-Laye auf und erwies mir die Ehre, mich in seiner
Karosse mitzunehmen. Er freute sich sehr, wieder im Schloß seiner Kinderjahre einzukehren, an das ihn so viele zärtliche Erinnerungen
an seinen Vater banden. Vor Reisefieber war er schon um vier Uhr morgens erwacht und hatte zum Frühstück eine Schale Brühe
zu sich genommen. Doch war die Brühe schon längst vergessen, als wir vom Louvre um Viertel neun Uhr aufbrachen, und Ludwig
verspürte ein Loch im Magen, als wir vor der Brücke von
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