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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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noch
     länger abgewartet hätte, der König die Krone verloren hätte‹: eine um so dümmere Prahlerei, als sie seine Gefangennahme vollends
     rechtfertigte, während er im selben Atemzug mit Pauken und Trompeten durch Luynes und Barbin von der Königinmutter verlangte,
     ihn freizulassen.
    Barbin hatte natürlich befürchtet, daß diese Festnahme in Paris eine Gegenmaßnahme der Prinzen und einen Volksaufstand auslösen
     würde. Doch die Prinzen dachten nicht daran, ihrem Häuptling zu Hilfe zu eilen. Da ihnen die Tore der Hauptstadt nicht versperrt
     wurden, galoppierten sie in ihren goldenen Karossen hindurch, kehrten ein jeder in sein Gouvernement zurück und suchten Schutz
     hinter ihren Mauern. Als man sie nicht verfolgte, schwoll ihnen bald wieder der Kamm, sie stellten erneut Truppen auf und
     drohten.
    Allein die verwitwete Prinzessin Condé – die Mutter unseres |395| Gefangenen – stieg wacker zu Pferde und ritt durch die Pariser Straßen, um das Volk aufzurütteln, das sich aber kaum aufrütteln
     ließ. Dazu hätte es schon der Jungfrau auf ihrem weißen Zelter bedurft, doch ein so schönes Bild gab die Prinzessin nicht
     ab. Die Pariser kannten ihre Vergangenheit samt Prozeß, Pagen und Giftmischerei. Nur der Schuster Picard, dem die Prügel von
     Concinis Knechten auf der Seele lagen, rottete einiges Volk zusammen, und weil er den Marschall nicht in die Hände bekam,
     hielt er sich schadlos an seinem Haus.
    Es war eine fürchterliche Verwüstung von unten bis oben. Stoffe wurden zerfetzt, Möbel zerbrochen, der Garten zerstampft.
     Was man nicht wegschleppen konnte, wurde zerstört. Dennoch war diese Wut nicht so blind, wie man glauben mochte. Die Meuterer
     schossen mit der Hakenbüchse auf die Bildnisse Concinis und seiner Frau, und als ihnen das nicht genug erschien, zerschlitzten
     sie die Leinwände mit Messern. Das Porträt der Königinmutter holten sie nur von der Wand und warfen es zum Fenster hinaus,
     man fand es auf der Straße besudelt, aber nicht zerstört. Dafür rührte keiner das Bild des Königs an: es blieb einsam, unbefleckt
     und heil in dem Raum hängen, wo sämtliche Wandbespannungen beschmutzt und abgerissen worden waren. Als ich das hörte, war
     ich voll Freude, und das Herz klopfte mir.
    * * *
    Vierzehn Tage nach Condés Festnahme besuchte mich Déagéant wieder in meiner Wohnung im Louvre. Ich war beim Abendessen und
     lud ihn ein, es ohne Umstände mit mir zu teilen, und nach höflichen Ablehnungen und erneuten Aufforderungen nahm er mein Angebot
     an.
    Zum Glück gab es kaltes Fleisch, so daß ich La Barge und Robin gleich zu Würfel und Wein und ihren Liebesgeschichten hinausschicken
     konnte.
    »Wenn es Euch recht ist, Monsieur Déagéant, essen wir erst und reden danach? Dann ist mein Kopf bereitwilliger, sich Eure
     Neuigkeiten einzuprägen.«
    Er stimmte zu, und während wir still die Kiefer spielen ließen, warf ich verstohlen einen Blick auf ihn. Wie mein Vater |396| ihn beschrieben hatte, war dieser Mann gewiß nicht zur Welt gekommen, um zu tändeln, sondern um tief und geradlinig seine
     Furche zu ziehen bis zum Tod. Er achtete Ränge und Bräuche, doch nicht servil, kannte durchaus seinen Wert, er machte nicht
     viel Worte, aber ein jedes hatte Gewicht, er verstand sich auf Politik, aber ohne Hang zur Intrige, und stand ganz im Dienst
     des Königs, für den er, wie mein Vater sagte, alles getan und alles gegeben hätte.
    »Nun, Monsieur Déagéant«, sagte ich, als unsere Teller leer waren, »was gibt es für Neuigkeiten?«
    »Katastrophale«, sagte er so knapp wie ernst. »Und wenn sie bekannt werden, in ein, zwei Tagen, wird kein Sohn einer guten
     Mutter in Frankreich sie nicht ebenso bewerten. Kurz, für die
Graubärte
ist das Beil endgültig gefallen. Villeroy und Jeannin sind in derselben Ungnade wie Sillery, und die Königinmutter hat an
     ihrer Statt ein Triumvirat ernannt: Barbin, Mangot, Richelieu. Alle ausgewählt von der Concini, in Abwesenheit, aber mit Zustimmung
     ihres Mannes.«
    »Es sollen geistvolle, bewegliche und auch vermögende Leute sein.«
    »Das sind sie«, sagte Déagéant, »und das ist gerade das Schlimme.«
    »Aber es sind immerhin gebürtige Franzosen, denen die Liebe zur Nation Herzenssache sein müßte. Werden sie Concini nicht zügeln
     und mäßigen, wenn er zu weit geht?«
    »Das glauben sie zweifellos, aber sie werden es nicht können. Concini ist ein Ausbund an Übermut und Gewalttätigkeit. Er hat
     diese Minister

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