Königskind
Königs seine Abreise nach Soissons von Woche zu Woche verschoben, bis sie am
achten April ganz abgesagt wurde. Meines Erachtens ist es Ludwig nie so fühlbar wie dadurch geworden, wie wenig er Herr war
in seinem Reich. Tatsächlich durfte er den Louvre nach eigenem Gefallen nur für kurze Aufenthalte in Saint-Germain oder in
Vincennes verlassen.
Weil Soissons, wie Amiens, eine Stadt von entscheidender |424| Bedeutung war, gleichsam das nordwestliche Tor von Paris, verspitzte sich Concini, der den Verlust von Amiens zugunsten des
Herzogs von Montbazon nicht verwunden hatte, in seiner irrwitzigen Habgier darauf, Soissons zu besitzen, und bevor die Stadt
noch genommen war, drängte er Barbin und Richelieu, von der Königinmutter das Gouvernement Soissons für ihn zu verlangen.
Vergeblich stellten ihm die Minister vor, wie unklug ein solcher Schritt wäre, der aller Welt vor Augen führen mußte, daß
er den Krieg gegen die Großen nur führte, um sich an ihrer Habe zu bereichern. Schwer gereizt durch ihren Widerstand, sprach
Concini in ihrer Gegenwart davon zu Maria, die den Unverschämten von sich aus mit äußerster Vehemenz für seine Unersättlichkeit
schalt. Tief geknickt, vor seinen Ministern abgekanzelt worden zu sein, verstummte Concini, doch als die Königin ihn verärgert
stehen ließ und sich in ihr Kabinett begab, lief er ihr nach und behauptete, als er Augenblicke später wieder herauskam, lauthals
gegenüber den Ministern, die Sache sei geritzt, er bekäme Soissons.
Die Minister erkundigten sich bei der Königin. Nichts war daran. Es war von Seiten Concinis eine ähnlich plumpe Hanswurstiade
wie damals, als er, kurz nachdem die Königinmutter Witwe geworden war, aus ihrem Gemach tretend an seinem Hosenbund genestelt
hatte, um glauben zu machen, er sei ihr Geliebter. Der Leser wird sich dieser Schofelei erinnern, die ich am Anfang dieser
Memoiren erzählt habe und die den Mann ungeschminkt beschreibt.
»Wenn ich Concinis Schwächen definieren sollte«, sagte Déagéant, nachdem er mir bei einem nächtlichen Besuch die Affäre Soissons
erzählt hatte, »würde ich primo sagen, er bläht und brüstet sich bis zum Kindischen, da der Ruf der Allmacht ihm wichtiger
ist als die Macht selbst. Secundo, er ist rachsüchtig in einem Maße, daß er völlig außer acht läßt, daß seine Rache sich vor
allem gegen ihn selbst kehren könnte. Tertio, er denkt sehr klein, denn was scherte einen Mann, der von der höchsten Macht
träumt, das Gouvernement von Soissons oder Amiens?«
»Amiens?« fragte ich verblüfft. »Aber das hat ihm die Königin mit dem Vertrag von Loudun doch weggenommen und dem Herzog von
Montbazon gegeben.«
|425| »Das hindert Concini, nachdem er Soissons nicht bekommen hat, nicht an dem Vorsatz, sich Amiens wieder anzueignen, denn er
hat Freunde dort, die entsprechenden Wirbel machen. Er hat es Barbin gegenüber bekannt, und der streckte die Arme zum Himmel.
›Aber, Exzellenz!‹ rief er, ›das hieße ja, das Wort der Königin zu brechen! Ihre Unterschrift zu entehren! Und den Manifesten
der Großen Recht zu geben!‹ Aber Concini in seiner Wut, daß man ihm widersprach, wollte nichts hören und kehrte ihm den Rücken.
Als Barbin sah, daß er von seiner verhängnisvollen Absicht auf Amiens trotzdem nicht lassen würde, unterrichtete er die Königin,
die dem Herzog von Montbazon – einem der wenigen königstreuen Herzöge – empfahl, sich in seiner Stadt zu verschanzen, damit
man sie ihm nicht raube.«
»Und Concini?«
»Seitdem schäumt er, schnaubt und rast vor Rache gegen die Minister. Durch Verleumdungen, gefälschte Briefe und untergeschobene
Zeugen versucht er, sie bei der Königin anzuschwärzen, damit sie sie entläßt.«
»Wie bitte?« sagte ich. »Immerhin sind es Männer von Talent und Entschlußkraft! Und sie haben ihm bestens mit ihrer Kriegspolitik
gegen die Großen gedient!«
»Dankbarkeit ist nicht Concinis Stärke«, sagte Dégéant mit kaltem Lächeln. »Die Ersatzmänner sind von seiner Frau schon ausgewählt:
Russelay, Mesmes und Barentin. Aber es geht nicht so schnell. Denn äußerst geschickt haben Barbin und Richelieu der Königin
von sich aus ihre Demission eingereicht. Bisher hat die Königin sie abgelehnt. Hin und her gezerrt zwischen den Ministern,
die sich über den Marschall beklagen, und der Concini, die ihr jeden Abend die Richtung bläst, weiß sie ohnehin nicht mehr,
wem sie glauben und was sie
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