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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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dermaßen übertrieben wird, daß man vor dem Papst auf beide Knie niederfällt und ihm den Pantoffel küßt.
    Aber für mein Gefühl übertraf sich Concini auf dem Gebiet unerträglicher Schamlosigkeit noch. Ludwig war, wie man weiß, kein
     verschwenderischer Fürst, er gab nichts auf Schmuck und prunkvolle Gewänder oder anderen luxuriösen Überfluß. Aber für die
     Jagd oder für Weidbelange benötigte er manchmal zusätzliche Mittel. Man weiß, wie das ging: bekanntlich bat er seine Mutter
     darum, und meistens lehnte sie ab.
    Eine solche Zurückweisung hatte Ludwig im April erhalten. Und weil er darüber Schweigen wahrte, erfuhr kein Offizier seines
     Hauses davon, bis ihm eines Morgens Concini einen Besuch machte, umgeben von einem solchen Schwarm seiner Höflinge, daß die
     königlichen Gemächer für die Menge auf |430| einmal zu klein erschienen: sie verdrängte gleichsam den König und die Handvoll Personen, die bei ihm weilten, in eine Ecke
     des Raums. Trotzdem tat die gebieterische Flut sich auf wie einst das Rote Meer vor Moses, um den Marschall von Ancre hindurchzulassen,
     der Ludwig, ohne sich zu entblößen, eine kleine gönnerhafte Verneigung machte und sagte: »Sire, ich bedaure sehr, daß die
     Königin Euch die zweitausend Ecus nicht gegeben hat, um die Ihr sie für einige kleine Ausgaben batet. Ein andermal, wenn Ihr
     solch ein Bedürfnis habt, wendet Euch bitte an mich. Ich lasse Euch zukommen, was Ihr wünscht, sei es von den Schatzmeistern,
     sei es, wenn sie ablehnen, aus
meinen eigenen Mitteln

    Obwohl Ludwig seit langem wußte, wozu Concini fähig war, verschlug ihm dies einen Augenblick die Sprache. Dieser Mensch aus
     dem Nichts, dieser elende Glücksritter, dieser Fremde, der ohne einen blanken Heller nach Frankreich gekommen war und sich
     mit Beihilfe der Königinmutter bereichert hatte, indem er den Staatsschatz plünderte, wagte es, ihm Almosen anzubieten, und
     das aus
seinen eigenen Mitteln
, für die das Wort ›eigen‹ so unzutreffend wie möglich war!
    »Monsieur«, sagte Ludwig endlich (ohne ihn ›mein Cousin‹ oder ›Herr Marschall‹ zu nennen), »es ist nicht an Euch, mir Geld
     zu geben.«
    Sparsam mit seinen Worten, sagte er kein einziges mehr, und Concini zog sich nach knappem Gruß zurück.
    * * *
    Das Volk von Paris – auch die kleinen Leute, die sich mit Mühe und Not durchschlagen, vor allem wenn Kälte und Frost das Leben
     verteuern –, interessiert sich von jeher heiß dafür, was im Louvre um die königliche Familie, die Prinzen und Minister passiert,
     und unermüdlich redet es darüber auf Gassen und Plätzen, auf Märkten und Kirchenstufen, und in dieser Redeflut schwimmt soviel
     Wahres wie Unwahres. Das kommt daher, daß das halbe Tausend Bedienstete, die tagsüber im königlichen Schloß arbeiten, in ständiger
     Berührung mit den Hunderten von Dienern stehen, die sich der Ehre erfreuen, im Louvre zu schlafen, und von ihnen eine Reihe
     Dinge erfahren, die sie sofort in der Hauptstadt verbreiten und die sich beim Herumsprechen |431| vom einen zum anderen zwar aufblähen und entstellen, die aber doch nie ihren Kern Wahrheit verlieren.
    Nie hatte Mariette, wenn sie uns zum Mittagsmahl bediente, soviel Tratsch aufzutischen wie in diesem April. Sie kam uns mit
     Neuigkeiten, die sie auf dem Neumarkt nicht gestoppelt, sondern mit der Schaufel eingeladen hatte.
    Sie berichtete uns – was sich als wahr erwies –, daß Concini sich eine Leibgarde von vierzig Raufbolden geschaffen hatte,
     die ihm auf Schritt und Tritt folgten und die er seine
coglioni
nannte: weshalb er bekanntlich überall in Paris nur der
coglione
1 heiße, obwohl das, sagte sie, noch ein viel zu freundlicher Ausdruck für ihn sei, denn er verdiene es, auf öffentlichem Platz bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden, wie Ravaillac.
     Weiter, daß er im Faubourg Saint-Germain neunzehntausend fremde Söldner einquartiert habe, um die Pariser, wenn seine Stunde
     gekommen sei, niederzumetzeln (was bis auf die Zahl stimmte, es waren nur zweitausend); daß der König gedroht habe, diese
     fremdländischen Regimenter in Stücke zu hauen, was er aber leider nicht gekonnt hätte, weil seine Leibgarde heimtückisch nach
     Soissons verlegt worden sei (eine seltsam verdrehte Version der Eskortenaffäre); daß Concini in Paris soeben zweihundertfünfzig
     Galgen errichtet habe, um die Pariser zu hängen, falls sie sich gegen seine Tyrannei empörten (die neuen Galgen standen tatsächlich
    

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