Königskind
wachte, denn so treu und zugetan Luynes
ihm auch war, hatte er nicht im entferntesten die zupackenden Fähigkeiten, von denen Déagéant sprühte, und erst recht nicht
dessen Mut.
Für Ludwig war es nur gut, daß Concini sich in der Normandie mit seinen kostspieligen Wehranlagen beschäftigte, denn wenn
er in Paris war, fiel es dem König immer schwerer, seine Abneigung gegen ihn zu verhehlen. Er sah ihn kaum an, und wenn er
zu ihm sprach, antwortete er nur einsilbig. Und Concini hielt seine Überheblichkeit um so weniger im Zaum, als er Ludwig für
ein geist- und kraftloses Wesen hielt. So war |428| bekanntlich die Meinung, die seine Mutter seit Jahren verbreitet hatte und die der Hof wie ein Evangelium glaubte. Sogar Richelieu,
der doch die Finesse in Person war, teilte diese törichte Ansicht, und später bekannte er, daß ihn das, was im April geschah,
völlig unerwartet traf, denn niemals hätte er geglaubt, daß es auf jener Seite
genug Energie
gäbe, die Dinge so grundlegend zu ändern.
Von Concinis unfaßlicher Unverschämtheit gegenüber Ludwig will ich nur noch zwei Beispiele geben. In jenem ausgehenden April
hatte der Himmel alle Schleusen geöffnet, stürmische Regenschauer prasselten zahlreich wie unsere Sorgen auf uns nieder, und
weil Ludwig nicht jagen konnte, tröstete er sich mit Billardspielen in der Kleinen Galerie (die ›klein‹ aber nur zur Unterscheidung
von der Großen Galerie hieß, die sich an der Seineseite hinzog). Als ich Ludwig nicht in seinen Gemächern antraf und von Berlinghen
erfuhr, daß er seine Partie spielte, ging ich dorthin. Ich fand ihn umgeben von zwei, drei Edelleuten seines Hauses und dem
weitaus überzähligen wimmelnden Gefolge Concinis. Beim Eintritt sah ich diesen mit dem Hut in der Hand, dem Hut mit den vielgerühmten
kostbaren Federn, und schloß daraus, wie Sie, mein Leser, es auch getan hätten, daß er wenigstens diesmal geruht hatte, den
König zu grüßen.
Immerhin hörte ich, wie er Ludwig in nahezu respektvoller Weise bat, ihm die Ehre einer Partie Billard zu erweisen. Nun war
an einem solchen Ersuchen eines Marschalls von Frankreich an den Obersten Heerführer nichts Unziemliches, und nach einigem
Zögern nahm Ludwig es an, aber nicht so sehr mürrisch als mißtrauisch und reserviert. Ein Diener reichte also Concini mit
tiefer Verbeugung ein Queue, das er mit der Rechten ergriff. Doch weil er in der Linken seinen Hut hielt und zum Spielen beide
Hände brauchte, erbot sich ein Edelmann seines Gefolges mit unterwürfigem Kniefall, ihm diesen abzunehmen. Concini schien
dazu gewillt, doch plötzlich besann er sich anders – vielleicht war der Schlag auch vorbedacht gewesen.
»Per Dio!«
sagte er in losem, auftrumpfendem Ton zum König, »Eure Majestät erlauben doch, daß ich mich bedecke?«
Sprachs und setzte, ohne die Erlaubnis abzuwarten, um die er in so rüdem Ton und obendrein mit einem Fluch gebeten |429| hatte, seinen Hut auf, wobei er seinen Schmeichlern einen triumphierenden, einverständigen Blick zuwarf. Hierauf beugte er
sich zum Zielen auf die Billardkugel nieder, daß sein majestätischer Federschmuck fast das grüne Tuch streifte.
Ich war sprachlos, und hätte der König mir befohlen, dem unverschämten Laffen meinen Degen in den Leib zu rennen, ich glaube,
ich hätte es getan. Aber der König schwieg, wahrscheinlich weil er fürchtete, seinem Zorn die Zügel schießen zu lassen und
weiter zu gehen, als die Vorsicht es gebot. Mit undurchdringlichem Gesicht machte er sich ans Spielen, und ich beobachtete,
daß sogar Concinis Speichellecker erschrockene Miene machten, denn es war wohl das erste Mal für sie wie für uns, daß man
im Louvre etwas derart Unerhörtes sah: ein Edelmann vor seinem König mit dem Hut auf dem Kopf.
Die Partie war kurz. Ludwig schützte Müdigkeit vor und ging nach wenigen Minuten mit einem Kopfnicken gegen Concini. Sowie
er außer Hörweite dieses abscheulichen Herrn war, sagte er mit zornbebender Stimme zu mir: »Siorac, habt Ihr gesehen, wie
er sich bedeckte?«
Ich weiß sehr wohl, daß einige, die von dem Günstling Ämter und Pfründen erhielten, versucht haben, ihn reinzuwaschen, indem
sie sagten, die spanischen Granden dürften in Gegenwart ihres Herrschers auch bedeckt bleiben. Die Entschuldigung mutet mich
lächerlich an. Die Sitten jenseits der Pyrenäen sind nicht unsere, und Concini war auch kein Spanier: er kam aus einem Land,
wo die Verehrung
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