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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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dem Weg, den wir nehmen, erwartet man uns erst in einer reichlichen Stunde, Herr Chevalier. Ich möchte, wenn Ihr erlaubt,
     Euch zunächst mit Ort und Gefährten überraschen.«
    »Was für Geheimnisse!« sagte ich. »Aber bis Ihr sie enthüllt, laßt uns zu Abend essen! Nein, nein, schlagt es mir nicht ab!
     Dann wird uns die Zeit nicht so lang. La Barge, sage Robin, er soll uns Brot, Butter, Bayonne-Schinken und eine Flasche Cahors-Wein
     auftragen. Monsieur Déagéant«, fuhr ich fort, als wir bei Tische saßen, mit vollen Backen kauten und tüchtige Schlucke nahmen,
     »je mehr dieser Landwein Euer Blut durchströmt, wird er Euch auch die Zunge lösen. Auf denn, Monsieur Déagéant, keine Ausreden
     mehr! Sagt an: welcher Ort?«
    »Der Louvre.«
    »Der Louvre ist groß.«
    |434| »Die Wohnung von Monsieur de Luynes.«
    »Die Gefährten?«
    »Monsieur de Luynes.«
    »Das versteht sich. Wer noch?«
    »Sein Cousin, der Baron de Modène.«
    »Wer noch?«
    »Monsieur de Marsillac.«
    »Noch jemand?«
    »Monsieur Tronçon.«
    »Wer ist Monsieur Tronçon?«
    »Ein Mann des Gesetzes.«
    »Sind das alle?«
    »Ja, alle«, sagte Déagéant.
    Aber obwohl sein Lächeln diesem Ja widersprach, ließ er sich nicht mehr entlocken. Und ich war im stillen, offen gestanden,
     ziemlich enttäuscht. Denn die Genannten erschienen mir allzu gering und untauglich für eine folgenschwere Unternehmung, auf
     deren Gefährlichkeit Déagéant ja deutlich hingewiesen hatte.
    »Wen hattet Ihr denn erwartet, Herr Chevalier?« fragte Déagéant, der meine Enttäuschung spürte. »Einen Herzog? Einen Bischof?
     Solche Herrschaften setzen sich nicht so leicht der Gefahr aus, zu verlieren, was sie haben, es sei denn, der Einsatz ist
     groß, und es winkt hoher Gewinn. Immer sind es kleinere Leute, zu denen auch ich mich zähle, die ihr Leben im Dienst des Königs
     opfern.«
    Da ich im Louvre keine Damengeschichten hatte, war ich es nicht gewöhnt, spät abends aus meiner Wohnung durch die Gänge des
     Palastes zu streichen, darum riet mir Déagéant, den Hut tief ins Gesicht zu ziehen, mein Gesicht im Mantel zu verbergen und
     Dolch und Degen nicht zu vergessen. Er selbst, sagte er, trage einen Dolch nach italienischer Weise unterm Wams. Zu unserem
     Laternenträger und Hellebardier erwählte ich Robin, dessen Körperkraft mir wohlbekannt war. Unsere Maßnahmen, erklärte Déagéant,
     seien reine Vorsicht. Auf schwere Jungs treffe man überall, angeblich auch im Louvre, doch sei er bei seinen nächtlichen Wanderungen
     immer nur huschenden Liebesleuten begegnet. Trotzdem konnten wir ja auf Concinis Spione stoßen.
    Man wird sich erinnern, daß Luynes auf Grund seines |435| Hauptmannsamtes eine Wohnung über den Gemächern des Königs besaß, die mit diesen durch eine Wendeltreppe verbunden war, eine
     bequeme und verschwiegene Möglichkeit, Ludwig jederzeit zu sehen.
    Auf dieser Wendeltreppe nun, hingelagert auf den blanken Stufen, fanden wir Monsieur de Berlinghen in tiefem Schlaf. Entrüstet,
     daß der Bursche, anstatt Wache zu halten, entschlummert war, hätte Robin ihm gerne das Blatt seiner Hellebarde ans Kinn gedrückt.
     Aber aus Furcht, der Tropf könnte mit Schreckensschreien emporfahren, rüttelte ich ihn leise an der Schulter, und Déagéant
     hielt ihm Robins Laterne ins Gesicht. Endlich erwachte Berlinghen, und ich kanzelte ihn für seine Fahrlässigkeit ab, daß er
     fast in Tränen ausbrach. Da ich ihn so untüchtig fand, befahl ich Robin, bei ihm zu bleiben, was meinen Koch ziemlich ärgerte,
     zumal Déagéant ihm die Laterne abgenommen hatte und er in Dunkel und Kälte mit einem Bürschchen sitzen sollte, das er nicht
     einmal anfahren durfte, weil es von Adel war.
    Als Déagéant auf eine vereinbarte Weise an Luynes’ Tür klopfte, öffnete eine Hand spaltbreit die Tür, und Cadenets Kopf erschien.
     Es war einer von Monsieur de Luynes’ Brüdern und der tapferste der drei, denn er schlug sich im Duell für Luynes, wenn der
     von einem Neider herausgefordert wurde.
    Déagéant hob Robins Laterne an sein Gesicht, so daß Cadenet ihn erkannte, die Tür aufmachte, uns schweigend grüßte und einließ.
     Ich befand mich in einem Kabinett, das mir sehr klein erschien, vielleicht weil es nur von einer Kerze erhellt wurde. An einer
     anderen Tür sah ich wie als Wache Brantes stehen, Luynes’ zweiten Bruder, mit Pistolen im Gürtel, deren Läufe im Halbdunkel
     blinkten. Alle drei Brüder ähnelten und liebten sich sehr, und

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