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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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eine
     solche Memme! Durch Concinis Drohungen entsetzt, wußte er nichts als Aufschub, Überlegungen und Ausflüchte vorzubringen. Kurz,
     ›er schlotterte bis ins Mark‹, wie Déagéant sagte. Doch sein neuer Plan: den Louvre heimlich zu verlassen und zur Armee des
     Comte d’Auvergne vor Soissons zu stoßen, |440| traf in der Geheimsitzung, die wir am Abend nach Concinis Rückkehr abhielten, auf eisiges Schweigen. Und Ludwig, der die Geduld
     verlor, rüffelte seinen Günstling.
    Jetzt, da die ›sanfteren Mittel‹ unwiderruflich abgetan waren, mußte festgelegt werden, bis zu welchen ›äußersten Mitteln‹
     man gehen wollte. Déagéant stellte, wenn auch mit verdeckten Worten, die Alternative klar: Concini verhaften und dem Hohen
     Gericht übergeben oder aber ihn ermorden. Ludwig verwarf die Mordidee sogleich, sei es, daß er nicht in die Fußstapfen Heinrichs
     III. treten wollte, als dieser den Herzog von Guise in seinem eigenen Gemach zu Blois erdolchen ließ, sei es, daß er fand,
     es zieme dem allerchristlichsten König nicht, seine Herrschaft mit einem Blutvergießen anzutreten.
    Déagéant, Tronçon und ich bekämpften seine Weigerung nach Kräften. Concini bewegte sich sogar innerhalb des Louvre nie ohne
     seine Prätorianergarde und zahlreiches bewaffnetes Gefolge. Die Garde und dieses Gefolge würden natürlich zum Degen greifen,
     wenn man Concini soviel Zeit ließe, sie zu Hilfe zu rufen, und es gäbe ein Gemetzel, dem viele zum Opfer fallen würden, nur
     vermutlich nicht der, auf den es abgesehen war. Der König beharrte bei seiner Ablehnung nicht, und der Leser wird in der Folge
     noch feststellen, daß seine Haltung in dieser Sache letztendlich weniger starr und womöglich sogar listiger war, als es uns
     zunächst schien.
    Man suchte also einen Mann, der fähig war, Concini festzunehmen, und Tronçon als Gesetzesvertreter dachte natürlich an Henri
     de Mesmes, den Zivilleutnant der Pariser Vogtei. Die Fühlungnahme geschah umsichtig und hatte in den Tuilerien statt, wo der
     Zivilleutnant wie zufällig dem König begegnete, der mit Luynes spazierenging.
    »Monsieur de Mesmes«, sagte Ludwig ziemlich unvermittelt, »seid Ihr nicht mein Diener?«
    »Sire, gewiß bin ich das«, sagte Mesmes verwundert.
    Ein Schweigen trat ein, und Ludwig fuhr mit undurchsichtiger Miene fort: »Ich sehe in meinem Reich vieles, was mir nicht gefällt.«
    Mesmes hob die Brauen und erwartete mit gespannter Aufmerksamkeit, was folgen würde.
    »Der Marschall von Ancre«, sagte nun Luynes, »entledigt sich seiner Pflichten ungenügend.«
    |441| »Der Marschall«, sagte Mesmes nach kurzer Besinnung, »hat überall seine Leibgarde und starkes Gefolge bei sich. Vermutlich
     ließe er sich nicht festnehmen, ohne heftigen Widerstand zu leisten.«
    »Ein Zivilleutnant ist auch nicht unversehen«, entgegnete Ludwig.
    »Aber mein Amt«, sagte Mesmes, »besteht nicht darin, Leute zu töten, die ich verhafte. Dies vorausgesetzt, habe ich Mut genug,
     den Marschall zu ergreifen und ihn dem Hohen Gericht zu überantworten, sofern die Formen des Gesetzes gewahrt werden.«
    »Danke, Monsieur de Mesmes«, sagte der König ruhig. »Ich bin mit Eurer Antwort zufrieden und möchte, daß Ihr über diese Unterhaltung
     Stillschweigen wahrt.«
    Mesmes grüßte den König und ging, der König blickte ihm nach, dann sagte er zu Luynes: »Das ist nicht unser Mann.«
    Am Abend, auf unserer geheimen Versammlung in Luynes’ Wohnung, berichtete uns der Favorit über die Begegnung mit dem Zivilleutnant.
     Er erzählte gut, lebendig und gewählt, aber in dem Druck, in welchem der König und wir uns befanden, machte mich seine Eleganz
     ungeduldig, und ich war Déagéant dankbar, als er die gesuchte Rede mit wenigen klaren Worten beschloß.
    »Was man in dieser Sache braucht«, sagte er, »ist eben ein Mann, der nicht auf den Formen besteht. Wie wäre es mit Vitry?«
    Auf dem Ball der Herzogin von Guise hatte ich meinem Leser nicht diesen Vitry vorgestellt, sondern seinen Vater, dem er sehr
     ähnlich war. Bei dessen Tod schlüpfte der Sohn in seine Stiefel, wurde wie er Marquis de l’Hôpital und Hauptmann der königlichen
     Garden, ein Draufgänger und Haudegen mit männlichen Zügen, verwegenem Blick, stämmigem Wuchs und dröhnendem Lachen. Seine
     Streiche, Duelle und Extratouren verwunderten schon niemand mehr. Ich erzählte bereits, wie er, nachdem man einen seiner Soldaten
     eingesperrt hatte, mit ein paar Männern das Kerkertor

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