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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sprengte, die Kerkermeister verprügelte und seinen Gefangenen befreite.
     Das trug ihm eine Verwarnung ein. Sogar das schöne Geschlecht machte ihn nicht sanfter. Frauen hatte er wie Sand am Meer,
     und obwohl er die Ärmsten nicht wenig malträtiert aus seinen Armen |442| entließ, oder vielleicht gerade deswegen, war er bei Damen heiß begehrt, auch am Hofe.
    Déagéants Vorschlag wurde vom König und von uns allen gut geheißen, zumal Vitry in diesem Monat die Leibgarden befehligte.
     Durch einen Vertrauten von Luynes unterrichtet, erschien Vitry um elf Uhr abends in Luynes’ Wohnung, und zum Beweis, daß man
     kühn bis zur Verwegenheit und dennoch vorsichtig sein kann, fuhr er zurück, als er Déagéant unter uns erblickte.
    »Was macht der Mann hier?« sagte er ohne Sorgen ums Protokoll. »Er ist Schreiber bei Barbin.«
    »Trotzdem ist er mir ein guter Diener«, sagte der König.
    »Dann ist es ja gut«, meinte Vitry. »Sire, was erwartet Ihr von mir?«
    »Daß Ihr den Marschall von Ancre festnehmt.«
    »Das läßt sich machen, Sire«, sagte Vitry.
    Ludwig schien hochzufrieden, daß sein Mann ebenso wortkarg war wie er selbst und nach kurzer Überlegung gleich zur Sache kam.
    »Sire, dazu bräuchte ich drei sichere Männer: meinen Bruder Du Hallier, meinen Schwager Persan und Roquerolles. Ich würde
     sie Euch herbringen, damit Ihr vor ihnen den Befehl wiederholt, den Eure Majestät mir soeben erteilt hat.«
    »Abgemacht«, sagte der König.
    Als Vitry am nächsten Abend mit den drei genannten Edelleuten erschien, wiederholte der König vor ihnen den Befehl, den Marschall
     zu verhaften.
    »Sire«, sagte Vitry, »Du Hallier hat ein paar Männer mitgebracht. Persan, Roquerolles und ich werden uns auch einige nehmen.
     Zusammen kommen wir aber auf nicht mehr als zwanzig. Nun hat ja Concini immer gut hundert Leute um sich. Er ist also in der
     Überzahl, und wenn ich ihn festnehmen will, wird er sich wehren. Was soll ich dann machen, Sire?«
    Ludwig blickte Vitry in die Augen, blieb aber stumm. Und Déagéant sagte laut und klar: »Seine Majestät meint, man soll ihn
     töten.«
    Vitry sah Déagéant an, dann sah er den König an, der weiter schwieg und Deagéants Worte weder bestätigte noch bestritt. Obwohl
     Vitry die Manieren eines Haudegens hatte, war er doch nicht auf den Kopf gefallen. Er begriff, daß Ludwigs Schweigen |443| pures Bedeckthalten war und daß er zustimmte, ohne es aussprechen zu wollen.
    Was mich betrifft, empfand ich in diesem Augenblick grenzenlose Bewunderung für Ludwig. Er war noch nicht sechzehn Jahre alt,
     aber wäre er auch doppelt so alt gewesen, hätte er kein größeres politisches Geschick und keinen größeren Bedacht auf seine
     Würde beweisen können.
    »Sire«, sagte Vitry, »ich werde Eure Befehle ausführen.«
    Als rascher, praktischer Mann wollte Vitry sogleich Tag und Ort wissen. Die sechs vom geheimen Rat des Königs konnten nun
     feststellen, daß Ludwigs monatelanges Schweigen eine lange Gedankenarbeit und einen ausgereiften Plan verborgen hatten, an
     dem es nichts zu ändern gab, bis auf ein paar Kleinigkeiten.
    Die Festnahme – bei diesem Euphemismus sollte es bleiben – würde am Sonntag, dem dreiundzwanzigsten April, im Louvre statthaben.
     Genauer gesagt, im Waffenkabinett des Königs, in der oberen Etage – dort, wo ich so oft
sotto voce
mit ihm gesprochen hatte, während er eine seiner schönen Hakenbüchsen zerlegte und zusammensetzte. Concini würde von einem
     Boten Seiner Majestät eingeladen werden, sich dort die kleinen Kanonen anzusehen, mit denen Ludwig die Lehmfestungen bombardierte,
     die er sich in den Tuilerien baute – eine Beschäftigung, von der Ludwig sehr wohl wußte, daß sie seinem Alter längst nicht
     mehr angemessen war, an der er aber seit Concinis Rückkehr nach Paris festhielt, weil er genau wußte, wie albern diese Kinderspiele
     seiner Mutter und dem Favoriten erschienen, und wie völlig beruhigend.
    In diesem Waffenkabinett also sollten Vitry und seine Gefährten Concini festnehmen.
    Ob Scheitern, ob Erfolg, Ludwig hatte alles bedacht. Würde die Festnahme fehlschlagen, entwiche er mit seinen Getreuen über
     die Große Galerie des Louvre in die Tuileriengärten, wo gesattelte Pferde bereitstünden. Von dort ginge er nach der Stadt
     Meaux, deren Gouverneur Vitry war. Im Schutz ihrer Mauern würde er seine Armeen zusammenziehen und ohne Rast und Ruh den Marschall
     verfolgen, wo immer er sich in Frankreich verschanzen

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