Königskind
Leben nicht ohne Konsequenzen sein, denn von unserer Freundin, gerade weil sie Euch wiederliebt und weil sie zu hochgesinnt,
auch zu besonnen ist, um Eure Jugend auszunutzen und Euch zu heiraten, habt Ihr keine Nachkommen zu erwarten. Und weil das
Feuer Eurer gegenseitigen Empfindungen stark genug ist, daß es Dauer verspricht, fürchte ich, daß eben diese Dauer Euch an
eine Bindung fesselt, deren Unfruchtbarkeit Euch eines Tages leid werden könnte. Deshalb möchte ich Euch eine Frage stellen,
die Ihr mir freimütig beantworten sollt: Könnt Ihr sicher sein, daß Ihr in zehn Jahren nicht voll Reue an Mademoiselle de
Fonlebon und die schönen Kinder denkt, die sie Euch hätte schenken können?«
|92| Diese Rede setzte mich in Erstaunen durch ihre Länge, ihren Ton, besonders aber durch ihren Inhalt. Dazu stürzte sie mich
in Verwirrung, und meine Kehle war beklommen, doch bemühte ich mich, meinem Vater so aufrichtig zu antworten, wie ich nur
konnte.
»Ich kann nicht ausschließen«, sagte ich nach einer Weile, »daß ich, wenn die Dinge den von Euch beschriebenen Lauf nehmen,
eines Tages nicht mit Wehmut an Mademoiselle de Fonlebon denken werde. Wenn aber andererseits meine Liebe zu Frau von Lichtenberg
die Schwelle meiner Träume nie überschreiten würde, bin ich mir sicher, daß ich dies mein Leben lang bereuen würde.«
»Ihr habt also Eure Wahl getroffen«, sagte mein Vater mit einem Seufzer, »und ich weiß nicht, ob ich in Eurem Alter nicht
dasselbe getan hätte. Meine Erfahrung ist Euch keine Hilfe, aber, offen gestanden, hilft sie auch mir selber nicht.«
Dies war das einzige Mal, daß mein Vater sich eine Anspielung auf sein Verhältnis zu der jungen Margot gestattete und auf
seine Anstrengungen, vor Madame de Guise zu verbergen, daß dieses Mädchen unter unserem Dach lebte: ein Doppelspiel, das ihn
allem Anschein nach nicht besonders glücklich machte.
Nach diesem Gespräch, das mir lange im Gedächtnis bleiben sollte, erhob sich mein Vater, und natürlich erhob auch ich mich
sofort.
»Herr Vater«, sagte ich mit erstickter Stimme, »wie kann ich Euch meine Dankbarkeit ausdrücken …«
»Schon gut«, murmelte er, damit zog er mich an sich, Wange an Wange, und schloß mich fest in seine Arme.
* * *
Die Königin gab Madame de Guise ihre Einwilligung – was sie auf ihre unwirsche, mürrische Weise tat, denn etwas liebenswürdig
und gnädig zu tun, dazu war Ihre Gnädige Majestät außerstande –, der Handel mit dem Marquis de Saint-Régis wurde geschlossen,
unterzeichnet, besiegelt und bezahlt, und weil beide Seiten das Geheimnis gewahrt hatten, erfuhr der Hof, daß ein sehr bedeutendes
Amt den Besitzer gewechselt hatte, erst, nachdem ich darin bestätigt und bereits in meine Wohnung im Louvre eingezogen war.
|93| Diese Wohnung, auch wenn sie im Haus der Könige lag, hatte so gar nichts Königliches. Sie bestand nur aus zwei Räumen, in
dem einen schlief ich, in dem anderen konnte ich Besucher empfangen. Weil dieser fürs erste nur aus vier kahlen Wänden bestand
und ich noch niemand einzuladen wagte, wartete ich mit einiger Ungeduld auf den Tag, an dem ich zum erstenmal meine Pension
erhalten sollte, um den Raum mit Tapisserien, Teppichen und Sitzmöbeln auszustatten.
Ich hatte meine Pflichten im Louvre noch nicht angetreten, als mein Vater, während ich im Champ Fleuri zum Diner weilte, mir
eröffnete, er habe nach reiflicher Überlegung beschlossen, mich die Jarnacsche Finte zu lehren.
»Schöne Leserin, ich sehe, Sie rümpfen Ihre hübsche Nase?«
»Weil ich mich frage, weshalb Ihr Herr Vater Sie diese Finte lehren wollte.«
»Der Hof, Madame, ist nicht nur ein Ort, wo man dienert und tanzt und hurt, man schneidet sich um Nichtigkeiten auch sehr
galant die Kehle durch. Unter der Herrschaft des seligen Königs fanden immerhin viertausend Edelleute im Duell den Tod.«
»Sie fühlten sich also gefährdet?«
»Sicher. Ich war neu im Louvre, natürlich hatte meine unerwartete Erhöhung mir Neider und Feinde geschaffen. Die Jarnacsche
Finte, die mein Vater noch als einziger im Königreich beherrschte, wurde, sowie ich sie konnte und sich dies herumsprach,
mein Küraß und mein Schild.«
»Weil keiner sie parieren kann?«
»Um sie zu parieren, Madame, muß man erst wissen, wie sie ausgeführt wird. Das ist der springende Punkt. Außerdem wird sie
von unseren schönen Galanen sehr gefürchtet.«
»Warum?«
»Weil sie nicht tötet, sondern
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