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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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daß er zum
     Dank für mein armseliges Goldstück auch nur ein
Pater noster
für mich beten würde.
    Bassompierre verriegelte die Tür, dann umarmte er mich und sagte gedämpft: »Sprechen wir leise. Womöglich lauscht der sonderbare
     Vogel hinter der Tür, wenn sie auch unglaublich dick ist.«
    »Alle Wetter!« fuhr er lauter fort, »das ist ja hier wie eine Gruft! Und wie das stinkt!
Ma non importa
.
Presto avrò finito.
1 Schöner Neffe«, sagte er, vom Italienischen ins Deutsche wechselnd , »unsere Freundin hat in Heidelberg keine sehr glücklichen Tage. Nach dem Tod des Pfalzgrafen hat sein Sohn Friedrich die
     Nachfolge angetreten, aber er ist erst vierzehn Jahre alt, und bei den Personen, die an seiner Statt regieren, steht unsere
     Freundin nicht im Ruch größter Frömmigkeit: was sie zusätzlich veranlaßt – außer dem Euch bekannten Grund«, fügte er mit einem
     Lächeln hinzu –, »sobald als möglich nach Paris in ihr Hôtel, Rue des Bourbons, zurückzukehren. ›Spart weder Zeit noch Geld‹,
     schrieb sie mir. Aus Gründen, die ich nicht nenne, schöner |86| Neffe, will ich aber in dieser Angelegenheit nicht in Erscheinung treten. Darum beschloß ich, meinen Kredit beim Marquis von
     Ancre zu nutzen, den ich seinerzeit in Florenz ziemlich gut kannte, wo er ein loses Leben führte, viel Geld, das er nicht
     besaß, in alle Winde streute und auf Pump üppig lebte. Er weiß mir Dank, daß ich die Summen, die ich ihm lieh, gefälligst
     vergessen habe. So trat er auf mein Verlangen an die Königin heran, die ihn beschied, er möge die Sache mit der Marquise regeln.«
    »Wie!« rief ich, »die Marquise von Ancre entscheidet an Stelle der Regentin?«
    »Sicher, vermittels eines Nadelgeldes.«
    »Eines Nadelgeldes? Was soll das heißen?«
    Er hatte das deutsche Wort
Nadel
verwendet, das ich wohl kannte, doch in diesem Zusammenhang konnte ich nichts damit anfangen.
    »Nadelgeld ist bei Frauen dasselbe wie Trinkgeld bei den Männern.«
    »Wie! Ich soll dieser Leonora Geld dafür anbieten, daß die Regentin unserer Freundin erlaubt, nach Frankreich zurückzukehren?
     Das ist doch unerhört!«
    »Mein schöner Neffe«, sagte Bassompierre, »ich bin Deutscher: darüber, wie die Dinge derzeit in Frankreich laufen, steht mir
     kein Urteil zu. Vergeßt nicht, in diesem Land bin und bleibe ich, und will auch nichts anderes sein, immer nur ›Pfarrkind
     dessen, der Pfarrer ist‹.«
    »Und wohin geht dieses Geld?« fragte ich staunend.
    »Natürlich in die Truhen der Marquise, die ebenso bodenlos sind wie ihre Redlichkeit. Und, um es abzuschließen: da ich, wie
     gesagt, in dieser Angelegenheit nicht hervortreten will, überlasse ich es Euch, die Marquise in ihrem Bau aufzusuchen.«
    »Ich soll sie aufsuchen?«
    »Ja, Ihr!« sagte er lachend. »So jung und schön Ihr auch seid, wird die Marquise Euch doch nicht gleich fressen. Ihre einzige
     Liebe ist das Geld.«
    Und weiter lachend ging er zur Tür, entriegelte sie blitzschnell und warf einen Blick hinaus.
    »Ich habe der zwinkernden Giraffe Unrecht getan«, sagte er, nachdem er wieder zugeschlossen hatte. »Alsdann«, fuhr er lebhaft
     fort, »es liegt nun bei Euch, den Handel mit dieser Dame zu führen. Fürs erste bietet Ihr fünftausend Livres.«
    |87| »Fünftausend Livres!«
    »Die ich Euch im Namen Frau von Lichtenbergs gebe und die sie mir dann zurückerstattet. Wißt aber, daß diese Summe die Marquise
     nicht im mindesten beeindrucken dürfte. Wahrscheinlich wird sie eine kleine Schippe ziehen und mit ihrer näselnden Stimme
     sagen:
›È derisorio, Signor!‹
1 Dann bietet Ihr zehntausend Livres.«
    »Zehntausend Livres! Und was, wenn ihr die noch nicht reichen?«
    »Dann nehmt Ihr den liebenswürdigsten Urlaub und sagt, Ihr würdet es Euch überlegen, und ich frage dann brieflich bei unserer
     Freundin an, ob ich den Einsatz erhöhen soll.«
    »Und angenommen, die Marquise nimmt die zehntausend Livres, wer garantiert uns, daß sie Wort hält?«
    »Die Marquise von Ancre würde jede Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie ihre Zusagen nicht einhielte. Wozu sollte sie sich
     außerdem so einträgliche Geschäfte verderben? Selbst der Ehrlose, schöner Neffe, bedarf einer gewissen Ehrenhaftigkeit.«
    Bassompierre schien sehr froh, zum Schlußwort gefunden zu haben. »Geht Ihr als erster, schöner Neffe«, sagte er, »es wäre
     nicht gut, wenn man uns zusammen gehen sähe.«
    Damit umarmte er mich, und ich ging mit gemischten Gefühlen davon, denn mein

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