Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
selbstverständlich, Madame«, sagte ich und überreichte sie ihr.
    Sie bemächtigte sich ihrer mit derselben Behendigkeit und betastete sie mit offensichtlichem
gusto
, ehe sie den Elefanten hineinlegte und darin verschloß. Darauf entschwand die Schachtel meiner Sicht, wahrscheinlich in einer
     Tasche ihres Reifrocks; und ohne daß die Marquise das mindeste
›È molto gentile da parte vostra‹
1 oder auch das kleinste
›grazie‹
gesagt hätte, kam sie auf mein Anliegen zurück.
    »Alsdann, Monsieur«, sagte sie mit ihrer männlichen Stimme nun wieder steif und kalt, als hätte sich in den verflossenen Minuten
     nichts zugetragen, »was wollt Ihr von mir?«
    So bündig wie möglich stellte ich mein Ersuchen dar, und ich tat gut daran, kurz zu sein, denn da die Marquise sah, daß meine
     Angelegenheit ihr wenig einbringen konnte, hörte sie nur ungeduldig, mich wieder loszuwerden, zu.
    »Und welches Interesse«, sagte sie, sowie ich geendet hatte, »habt Ihr daran, daß diese Dame nach Frankreich zurückkehrt?«
    »Ein rein freundschaftliches, Madame. Außerdem ist sie meine Deutschlehrerin.«
    »Eure Deutschlehrerin oder Eure deutsche Geliebte?« fragte die Marquise in schneidendem Ton.
    Die Frage, die ihrem Scharfsinn mehr Ehre machte als ihrem Taktgefühl, verwirrte mich, und ich lief rot an.
    »Frau von Lichtenberg, Madame, ist nur meine Deutschlehrerin«, sagte ich mit niedergeschlagenen Augen, wobei ich mir sagte,
     daß mein Rotwerden meinen Zwecken diesmal besser diente als die Schlagfertigkeit, mit der ich sonst aufzuwarten wußte.
    »Und wieviel bietet Ihr, Monsieur, um ihre Rückkehr zu begünstigen?«
    |115| »Fünftausend Livres.«
    »Das ist nicht viel«, sagte sie.
    Aber anstatt, wie ich erwartete, die Forderung zu erhöhen, womöglich über die Grenze hinaus, die Frau von Lichtenberg gesetzt
     hatte, schwieg die Marquise, und in Erwartung ihrer Entscheidung schwieg auch ich mit klopfendem Herzen.
    »Monsieur«, sagte sie, »Ihr steht, wie ich höre, in großer Gunst bei Madame de Guise, und jedermann hält Ihre Hoheit für eine
     sehr angenehme und kurzweilige Dame; es ist aber auch keine Kränkung, zu sagen, was sie selbst über ihre Finanzen meint: sie
     ist in sehr bedrängter Lage.«
    Ich hob mit unschuldiger Miene die Brauen, aber natürlich bewunderte ich, daß jemand, der so eingezogen lebte wie die Marquise
     von Ancre, so vieles wußte, obwohl sie sich nicht aus ihrem Bau rührte.
    »Trotzdem«, fuhr sie fort, »besitzt Ihre Hoheit noch ein stattliches Kapital, das sie bei Pfandleihhäusern in Rom und Florenz
     zu jeweils fünf Prozent angelegt hat und das ihr eine jährliche Rente von hundertfünfzehntausend Ecus einbringt.« 1
    »Das wußte ich nicht«, sagte ich, »Ihre Hoheit spricht mit mir nie über Geld.«
    »Weil sie nie dran denkt«, sagte die Marquise mit einer Spur Sarkasmus. »Vielleicht könntet Ihr Ihrer Hoheit übermitteln,
     daß ich bereit bin, ihr diese Kapitalien zu einem guten Preis abzukaufen.«
    Ich ließ mir ein wenig Zeit, bevor ich antwortete, so sehr bezweifelte ich, daß es im Interesse meiner Patin wäre, ein Kapital
     zu veräußern, das ihr soviel einbrachte. Da ich wußte, daß sie ohnehin jedes Jahr Ländereien und Wälder aus ihrem Besitz verkaufte,
     sagte ich mir, wenn ich sie vom Interesse der Marquise durch meinen Vater unterrichten ließe, würde dieser ihr schon klarmachen,
     wie verlustreich ein solcher Verkauf für sie wäre.
    »Madame«, sagte ich, »ich verspreche Euch, daß ich Madame de Guise Euren Vorschlag übermitteln werde.«
    »Denkt Ihr auch wirklich dran?« fragte sie, weil sie mein Zögern bemerkt hatte.
    |116| »Versprochen ist versprochen, Madame.«
    »Gut«, sagte sie. »Um auf unsere Angelegenheit zurückzukommen, Euer Angebot ist schwach, Monsieur. Aber da Ihr an der Geschichte
     kein Geld verdient, nehme ich an. Wann bringt Ihr die vereinbarte Summe?«
    »Sofort, Madame. Sie befindet sich in den Händen meiner Leute, die vor Eurer Tür warten.«
    »Marcella«, sagte die Marquise eilig, als hätte sie für nur fünftausend Ecus schon zuviel Zeit aufgewendet. »Laß die Leute
     des Herrn Chevalier de Siorac ein!«
    Sie kamen, von Marcella und Marie Brille gleichsam geschoben, herein, Pissebœuf mit drei Beuteln unterm Mantel, La Barge mit
     zwei. Aber kaum hatten sie ihre Bürde (jeder Beutel enthielt tausend Goldstücke) auf einem Tisch abgesetzt, auf dem eine Waage
     mit zwei Schalen stand, bedeutete die Marquise meinen Leuten

Weitere Kostenlose Bücher