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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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mit einer hochfahrenden Gebärde, daß sie zu verschwinden hätten.
     Das paßte nun Pissebœuf nicht im geringsten, und er rührte sich keinen Daumen breit vom Fleck.
    »Herr Chevalier«, sagte er mit einer Verneigung, »was mach ich jetzt? Ist es Euer Wunsch, daß ich gehe?«
    »Ja, mein guter Pissebœuf.«
    »La Barge auch?«
    »Ja, La Barge auch.«
    Er grüßte mich, dann grüßte er die Marquise, und als Marie Brille sich unterstand, ihm die Hand auf den Rücken zu legen, um
     ihn zum Ausgang zu drängen, drehte er sich zu der Dicken um und knurrte stirnrunzelnd: »Gevatterin, ich bin Soldat. Wenn ich
     Euch schiebe, landet Ihr mit dem Arsch in den Talern.«
    Nachdem er seinen Rückzug in Würde und Ehren gesichert hatte, schritt er gemessen hinaus, gefolgt von La Barge, der in seinem
     Schlepptau unglaublich klein aussah.
    Nun geschah etwas Unerwartetes: die Marquise faßte mit beiden Händen den Saum ihres Schleiers und schlug ihn zurück, sofort
     und wortlos half ihr Marcella. Ich war so erstaunt, sie unverhüllt zu sehen, daß ich sie ums Haar genauer ins Auge gefaßt
     hätte, doch besann ich mich rechtzeitig und verschob meine Betrachtung auf den Moment, wenn sie in das Zählen meiner Ecus
     versunken wäre.
    Ich wußte nicht, was für Münzen ich ihr da brachte, weil Bassompierre sie mir in Beuteln mit einem wächsernen Siegel |117| übergeben hatte, das ich lieber nicht hatte erbrechen wollen. Ich konnte nur hoffen, daß die Anzahl stimmte.
    Die Marquise zählte den ersten Beutel Stück für Stück. Dann häufte sie diese Münzen auf die eine Waagschale, schüttete den
     Inhalt des zweiten Beutels auf die andere und überzeugte sich, daß die Lasten beiderseits gleich waren. Ebenso verfuhr sie
     mit den drei übrigen Beuteln. Woraufhin sie, nachdem die Waage weggeräumt war, den Inhalt der fünf Beutel zu einem großen
     Haufen zusammenschob und dann mit ihren Fingern immer zehn Goldstücke auf einmal zu sich harkte, sie, ohne zu zählen, zu einem
     neuen Stoß häufte und damit erst aufhörte, als der erste Haufen zugunsten des zweiten verschwunden war.
    Endlich begriff ich, daß sie sich dadurch versicherte, daß sich in ihr Nadelgeld nicht etwa ein Silberling, eine Kupfermünze
     oder ein angebissenes Goldstück geschmuggelt hatte. Für meine Begriffe hätte sie sich die Mühe sparen können, denn die Ecus
     waren durchweg neu und blank, jedes falsche Stück wäre aufgefallen wie eine Ente unter Schwänen.
    Bei dieser langen, kleinlichen Operation jedenfalls bewiesen ihre mageren weißen Krallenfinger die größte Hurtigkeit. Und
     nun war auch der Moment gekommen, daß ich die Marquise eingehend betrachten konnte, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen, weil
     sie ohne jeden Wimpernschlag mit einer Miene innigster Wollust in ihr Tun vertieft war.
    Am Hof wie in der Stadt war der Ruf ihrer Häßlichkeit nicht mehr zu überbieten. Für die Herzogin von Guise war sie ›nicht
     sehr appetitanregend‹. Die Prinzessin Conti fand sie ›unanseh bar ‹, und im Volksmund hieß es, ›ohne Zauberei und Hexenkünste hätte eine so häßliche Kreatur nie und nimmer einen solchen Einfluß
     auf ihre Herrin gewonnen‹.
    Schön fand ich sie tatsächlich nicht. Die Stirn war zu sehr gewölbt, die Brauenbögen traten zu stark vor, die Nase war zu
     groß, die Gesichtshaut wie grobkörniges Leder. Trotzdem wären diese Züge bei einem Mann nicht beanstandet worden, und vielleicht
     war das Unglück der Marquise nur, als Weib geboren zu sein. Denn betrachtete man den Glanz ihrer Augen und diesen entschiedenen
     Mund, konnte man ihrer Physiognomie weder Willenskraft noch Klugheit absprechen; die aber machten jene Zauberei und Hexenkünste
     aus, mit denen sie eine ihr geistig unterlegene Herrin lenkte.
    |118| Ich spürte deutlich, daß ich die Marquise jetzt weder um Urlaub bitten noch überhaupt den Mund auftun durfte, bis die Manipulation
     abgeschlossen war, in die sie ihre ganze Seele legte. Und die Zeit wäre mir schließlich sehr lang geworden, hätte ich angesichts
     dieses Haufens von Goldstücken nicht endlich bemerkt, daß diese so neu nur funkelten, weil sie ganz frisch mit dem Bild des
     Königskindes geprägt waren. Zuerst erfreute mich dies, weil es nach seiner Salbung eine weitere Bestätigung seiner Herrschaft
     war. Aber als meine Gedanken weitergingen, befielen mich Scham und Traurigkeit. War es nicht eine unerhörte Schande, einer
     hohen Dame eines befreundeten Landes auf diese niederträchtige

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