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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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allzu wahr fand, fuhr er mit ernster, tief überzeugter Miene fort:
     »Ich habe einen Grundsatz, der mein Leben regiert, und dieser Grundsatz, Monsieur, lautet: was Geld erbaut, kann Geld auch
     einreißen.«
    In dem Augenblick ertönte aus dem Allerheiligsten ein schrilles Läuten so lange und herrisch, daß ich an das Glöckchen erinnert
     wurde, das Chorknaben in der Messe schwenken, damit alle den Kopf senken. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. Marcella
     eilte durch den Raum, klopfte an die heilige Pforte, öffnete sie, steckte den Kopf ins Innere, dann wandte sie sich zu uns
     um und machte mit dem Finger, ohne ein Wort, ohne auch nur eine Andeutung von Höflichkeit Allory das Zeichen, einzutreten.
    Was nun hinter dieser Tür gesprochen wurde, erfuhr ich erst später von Allory selbst, der sich in der Folge um die Freundschaft
     des halben Guise, der ich war, bemühte, ohne mir jedoch Geld anzubieten wie dem Herzog Charles, der sich nicht genierte, es
     zu nehmen.
    Allorys Gespräch mit der Marquise war von einer Kürze, die mich entsetzte. Er bot der Vizekönigin als Nadelgeld dreißigtausend
     Livres an.
»È derisorio, Signor«
, sagte sie mit schneidender Stimme. »Euer Gewinn beläuft sich nach meiner Berechnung auf zweihunderttausend Ecus.« – »Bei
     weitem nicht, bei weitem nicht!« ächzte Allory. –
»Signor«
, sagte die Marquise, »wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
    Als Allory aus dem Allerheiligsten kam, wankte er gewissermaßen, bleich vor Demütigung, die Augen traten ihm aus dem |111| Kopf. Er sah mich nicht einmal. Und hätte Marcella nicht mit fester Hand seine Schritte gelenkt, er hätte die Tür nicht gefunden.
    Von da an erwartete ich meinen Eintritt in der größten Beklommenheit und fragte mich, ob es mir nicht ebenso ergehen werde.
     Zum Glück verstrich eine so lange Zeit, bis das schreckliche Glöckchen erneut ertönte, daß ich meine Gedanken doch wieder
     zu sammeln vermochte. Vor allem versuchte ich, mich auf Montaltos Ratschläge zu besinnen, was die schonungsvolle Begegnung
     mit einer Kranken betraf, die sich durch eine zu jähe Annäherung gekränkt oder durch einen zu direkten Blick von Verhexung
     bedroht fühlte. Letzteres erschien mir als der schwierigste Punkt, weil ich fürchtete, meine zu beharrlich gesenkten Augen
     könnten mir einen Anstrich von Hinterhältigkeit geben und sie letztlich mißtrauisch machen. Und so beschloß ich, lieber den
     Schüchternen zu spielen als den Heuchler.
    Endlich erklang das Glöckchen, und mir war, als würde sein Schrillen mit meinem Herzklopfen eins, während ich mich, von Marcella
     gerufen, erhob und wahrhaftig mehr tot als lebendig auf die Schicksalstür zuschritt, denn in dem Augenblick schien es mir,
     als hingen mein ganzes Leben und das meiner Gräfin davon ab, was sich in den Gehirnwindungen jener Halbirren abspielen würde.
    Sie saß mit dem Rücken zum Fenster, wo die Vorhänge nur leicht geöffnet waren, so daß es mir, auch wenn ihr Kopf und Gesicht
     nicht von einem schwarzen Schleier verhüllt gewesen wären, schwergefallen wäre, ihre Züge in dem Halbdunkel zu erkennen.
    »Setzt Euch!« sagte barsch die Stimme Marcellas hinter mir. Höflichkeiten schienen ihr offenbar unnötig gegenüber den Bittstellern
     ihrer allmächtigen Herrin. Ich machte der vor mir sitzenden Gestalt eine tiefe Verbeugung, und nur unter verstohlenen Blicken
     setzte ich mich in den Lehnstuhl, der in ehrerbietigem Abstand von ihr wartete. Wie ich zu sehen meinte, atmete sie unter
     ihrem Schleier irgendeine Arznei ein, deren Kampfergeruch bis zu mir drang. Doch kann ich es nicht beschwören, denn verlegenen
     und furchtsam zwinkernden Auges ließ ich meine Blicke über Fußboden, Decke und Wände schweifen, ohne sie auch nur einmal auf
     ihre Person zu richten.
    Allerdings gab es da einiges zu sehen und geblendet zu sein, |112| denn die Kassettendecke war mit mythologischen Figuren bemalt, die Wände mit Flandernteppichen bespannt, der Fußboden mit
     türkischen Teppichen ausgelegt, deren leuchtende Farben noch im Dämmerlicht dem Auge schmeichelten. Drei Paar Lehnsessel sah
     ich in purpurrotem Samt mit golddurchwirkten Streifen. Von der Decke hing ein venezianischer Kronleuchter mit vielen Kristallgehängen.
     Flankiert von zwei schlanken Ebenholzschränken, auf denen sich zahllose Ziergegenstände aus Gold, Silber und Elfenbein drängten,
     erhob sich ein riesiges Bett – völlig unangemessen dem schmächtigen Körper, den es

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